Digitalisierung von Mensch und Maschine

Die meisten Beiträge zur Digitalisierung werden werbetechnisch verfasst. Das Thema wird immer so platziert, wie es dem jeweiligen Anbieter gut in den Kram passt, damit er seine eigenen Dienstleistungen verkaufen kann. Die Entscheider haben das Nachsehen und müssen sich mit Ansichten beschäftigen, die nicht immer zielführend sind. Weil das Thema nicht einfach ist, werden Experten benötigt. Und nicht genug des Ganzen – Damit Sie als Zielkunde geködert werden, wird die gesamte Klaviatur der Digitalisierung eingesetzt. Sie werden geflutet mit Studien, Expertenbeiträgen und außerordentlichen Beispielen. Wie kommen Sie da raus?

Die Wahrheit ist gar nicht so schlecht und kommt von innen

Zuerst einmal gilt es, aus dem Wust an PR-, Werbe- und Experteninhalten getarnt in Studien, Berichten und Best Practices zu erkennen, wer wirklich unabhängig daher kommt. Wer wird Ihnen die Wahrheit unverblümt vor Augen führen? Ich meine, dass die eigene Mannschaft, also die Beschäftigten in einem Unternehmen am besten wissen, wie es um die Lage bestellt ist. Wieso werden die eigenen Leute also nicht gebührend mit einbezogen? Die eigene Mannschaft ist das Beste Team, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Wie soll ein Externer nur ansatzweise den aktuellen Zustand identifizieren? Mit Interviews? Mit furchtbar theoretischen Workshops oder in so tiefer Detailarbeit, dass die Sicht fürs Ganze fehlt? Die Wahrheit kommt aus den eigenen Reihen … und tut oft weh. Um sie wirklich zu erfassen, reicht auch keine elektronische Befragung aus.

Methoden der Wahrheitsfindung

Den aktuellen Zustand in der Digitalisierung der eigenen Leistungsorganisation kann man am besten mit erprobten Methoden identifizieren. Eine Methode ist dann pragmatisch brauchbar, wenn sie den aktuellen Zustand identifiziert, ein Zielbild skizzieren kann und Maßnahmen festlegt, um die definierten Ziele zu erreichen. Drei wesentliche Punkte. Prüfen Sie stets, ob Sie diesen Basisansatz finden.

Im zweiten Schritt prüfen Sie den Einbezug von Expertenwissen und der eigenen DNA, wobei die DNA der wichtigere Teil am Geschehen ist, also das Know-how des eigenen Teams und nicht der Externen. In der Anwendung auf dem Digitalisierungspfad in der Marktbearbeitung können Sie beispielsweise das eigene Know-how einbringen mit den Methoden „Customer Journey Mapping“ oder allgemeiner „Design Thinking“. In beiden Fällen ist das Experten Know-how aus den eigenen Reihen unverzichtbar.

Mitarbeiter und Externe

Die Externen liefern Ihnen Methoden zur Strukturierung, Abwicklung und Kontrolle auf dem Weg zum Ziel. Viele Digitalisierungprojekte sind viel zu schnell in der technischen Umsetzung. Grundsätzlich ist das nicht verkehrt, doch Achtung ist geboten, wenn die Anforderungen der Fachbereiche nicht gut durchdacht und in kleinen Paketen vorbereitet werden. Auch ist größte Vorsicht geboten, wenn Change- und Transformation Management wie ein fünftes Rad am Wagen irgendwo hinten dran gehangen wird. Digitalisierung ist zu aller erst Transformation und die geschieht nicht durch die IT-Lösung alleine, sondern durch eine Veränderung der Denk- und Handlungsweisen der Akteure in der Organisation. Faktor Mensch.

Einen guten Berater erkennen Sie daran, dass er über die gesamte Wegstrecke ein Arbeitspaket Digitale Transformation/Change Management anbietet. So kann der Erfolg bis zum Ende (und nicht am Ende) abgesichert werden. Hören Sie nicht allenthalben: „… damit Sie produktiver werden?“. Damit sind Menschen und keine Maschinen gemeint. Nur der Einklang von Mensch und Maschine sichert den Gesamterfolg. Digitalisierungsvorhaben sind zu einschneidend, als dass die Change-Komponente nur auf das Thema Training amputiert wird.

Die Customer Journey Lüge

Customer Journey Management wird uns oft als aufregende Reise wilder Kunden beschrieben, die machen, was sie wollen. Alles falsch! Kunden sind Menschen mit Gewohnheiten und Mustern, die immer wieder auftreten. Aus diesem Grund kann deren Verhalten mit den richtigen Instrumenten auch gut vorausgesagt werden. Doch eine Sache ist viel wichtiger als „aufregende Reisen“ – VERTRAUEN!

Wert #1 – Vertrauen

Warum kaufen immer mehr Menschen so gerne bei amazon und das immer häufiger? Warum sind Apple Kunden so loyal, egal, wie teuer der Spass wird? Warum wählen Unternehmen Microsoft als Cloud- und Lösungsplattform? Warum suchen Menschen lieber bei Google Informationen als sonst wo? Warum sind Fahrer bestimmter Automarken quasi dessen Fans?

Alle Antworten haben etwas zu tun mit Erfahrungen, die Kunden gemacht haben. Diese Erfahrungen erzeugen Vertrauen. In der Neukundengewinnung, die by the way sehr teuer ist, muss Vertrauen erst mal aufgebaut werden, doch warum sind Bestandskunden loyal und wann wechseln sie Marken, Produkte oder Services?

Amazon – Handel und Plattformlösungen

Kunden vertrauen amazon, weil sie sich sicher sind, dass ihnen geholfen wird, wenn mal ein Problem mit einem Produkt auftaucht. Defekt nach 15 Monaten? Kein Problem – amazon bucht das Geld zurück und nimmt „ohne wenn und aber“ das Produkt zurück. Keine lästigen Reparaturen. Kein lästiges hin und her. Hier wird geholfen. Punkt!

Microsoft – Software-Plattformen

Kunden wissen, wie Word, PowerPoint und Outlook funktioniert. Immer zuverlässig. Immer produktiv. Ausgereift und bestens integriert in Plattformen wie Dynamics, SharePoint & Co. aus Sicht der Anwender. Die Software macht genau das, was Anwender erwarten und seit Jahren gewohnt sind. Egal, ob das Betriebssystem Schwachstellen hat. In Summe hat sich Microsft vor allem eins erarbeitet – Vertrauen in gute Lösungen.

Apple – Hardware- und Softwareplattformen

Mac’s und iPhones funktionieren einfach, sind gut zu bedienen und die Qualität der Produkte ist hochwertig. Immer das beste Material, das beste Design, die beste Technik. Der Öko-Space funktioniert einwandfrei und alles ist schön miteinander integriert und Microsoft passt auch überall schön drauf. Wozu Experimente? Kunden vertrauen Apple und wissen, dass sie keinen Ramsch erhalten.

Google – Informationsplattform

Wir suchen Informationen bei Google, weil wir wissen, was wir erhalten. Hier wurde Vertrauen aufgebaut. Viele Menschen sind auch bereit, ihre Daten ausnahmslos an Google zu übergeben. Grund Nummer Eins ist auch hier, sicher zu wissen, dass Google die Informationen liefert, die wir suchen. Wer experimentiert da schon mit Duck-Duck oder Bing? Wir vertrauen dem Ergebnis, weil es sich als robust erwiesen hat.

BMW, Audi und Mercedes – Mobilitätsplattformen (na ja, noch sind es Autos)

Wer sich einmal für einen Hersteller entschieden hat, ist sehr häufig loyal, weil er einfach gute Erfahrungen gemacht hat. Man gewöhnt sich an die Bedienung und den Charakter eines Fahrzeuges. Wir vertrauen … bis …

Best Practice CX

Während der Kundenreise ist die gemachte Erfahrung (CX = Customer Experience) das ausschlaggebende Element. Kunden werden loyal, wenn deren Erwartungen getroffen und bestenfalls übertroffen werden. Damit das funktioniert, sind keine aufregenden Customer Journeys von Nöten. Was wirklich zählt ist Konstanz, Verlässlichkeit und die Einlösung von Leistungsversprechen. Und sowas in einer disruptiven Welt? Ja, so einfach kann das sein. Das die ganze Sache digital sein muss, ist eine andere Geschichte, aber im Kern bleibt es so, dass Vertrauen über lange Wegstrecken gewonnen wird und dazu ist Kontinuität und Zuverlässigkeit erforderlich.

Und was ist daran digital?

Alles! Mit modernen Werkzeugen (Predictive Analytics, Artificial Intelligence) kann Kundenverhalten vorausgesagt werden, weil Kunden doch nicht so individuell sind, wie sie alle glauben. Aus diesem Grund ist eine 1:1 Interaktion von Mensch und Maschine (Kunde und Anbieter) möglich, weil Kunden sich gleichen. Die Maschine muss halt nur rausfinden, welchen Typ von Kunden sie vor sich hat, meinetwegen auch welche Persona. Die Maschine kann auch voraussagen, wann der Kunde flöten geht. Das kann man am besten ausrechnen, wenn man sich die Servicedaten anschaut, um die Kundenerfahrung zu verbessern. Natürlich funktioniert das nur bei „ordentlichen“ Produkten.

Digital Leadership im eigenen Leben

Ich beobachte zunehmenden Kontrollverlust im Umgang mit digitalen Instrumenten. Morgens werfen viele Menschen kurz nach dem Aufwachen einen Blick auf das Smartphone. News Checken. Wetter, Verkehr oder einfach Social Media. Abends im Restaurant viele komplett verarmte Paare, die immer wieder lieber auf ihre kalt leuchtenden Screens starren, als sich tief in die Augen zu schauen. Stummelkommunikation auf Twitter und voll gestresst von Instagram und Snapchat. Und irgendwie drängt sich beim Blick in berufliche Netzwerke der Gedanke auf, dass jeder mindestens einmal am Tag irgend einen Artikel oder Beitrag posten muss, den er irgendwo als Headline gesehen, aber nicht wirklich gelesen hat. Besser teilen als lesen. Und das soll Freude machen? Anreichern oder Kompetenz darstellen?

Digital Leadership – Mal anders gedacht

Leadership ist nicht immer unbedingt ganz vorne dabei zu sein, wenn es schon wieder irgend ein neues Gadget, ein Feature oder sonst was aus der binären Welt daher kommt, dass wir unbedingt nutzen müssen, um unser Leben zu vereinfachen. Wie wäre es mit dem Gedanken, sich mal eine ganze Woche gezielt kontrolliert zu verhalten? Also Kontrolle über die digitalen Instrumente und nicht umgekehrt. Vermutlich empfinden immer mehr Menschen gar keine Abhängigkeit. Wieso auch? Dem Raucher macht Rauchen Spass, wieso also reduzieren? Leadership bedeutet an erster Stelle Kontrolle über sich selbst. Wir sollten uns die Selbstkontrolle nicht von einem kleinen Gerät abnehmen lassen.

Die Zurückeroberung der Freiheit

Unheimlich viele Menschen zerstückeln sich und ihr Leben in kleine Teile, die sie dann in allerhand Netzen nach dem Motto: „ICH, ICH, ICH“ posten. Fotos werden eigentlich nicht wegen der Schönheit am erlebten geschossen, sondern eher, um anderen zu dokumentieren, wie wichtig man selber ist und was man nicht alles tolles erlebt hat. „ICH. ICH. ICH“. Diese kleinen verdammten Dinger reduzieren viele Menschen auf etwas, das sie gar nicht sind. Kunstwelten, in denen sich jeder von seiner Besten Seite zeigt. Auch intellektuell wird gepostet, was das Zeug hält. Wie können wir alle wieder ein Stück menschlicher werden, weniger digital, weniger egozentrisch? Zurück zur Freiheit, doch wie?

Autsch – das tut weh!

„Nö, das betrifft mich doch nicht. Vielleicht die anderen Idioten um mich herum, aber ich nutze das alles wirklich. Echt jetzt.“ Na ja, wer es denn glaubt. Es war schon klar, dass Steve Jobs Recht hatte, als er 2007 bei der Veröffentlichung des ersten iPhones sagte: „Das wird alles verändern.“ Dass es dann aber so fett kommt, hat wirklich zu dem Zeitpunkt kaum jemand gesehen. Nun, offenbar sind wir alle betroffen. Irgendwie. Wer beruflich aktiv ist kann sich kaum entziehen. Wir sind mitten drin, voll digitalisiert, doch wo ist der Ausgang?

Digital Leadership im eigenen Leben

Erneut die Kontrolle übernehmen, weniger Smartphone, mehr Augenkontakt. Weniger Chat, mehr Gespräch. Weniger Bilder, mehr echte Eindrücke. Es gibt kein Zurück, so viel steht fest und wir alle profitieren vom Segen dieser tollen Technologien, doch seien wir ehrlich, ab und zu müssen wir unsere Errungenschaften in die Schranken weisen, damit wir nicht das verlieren, was uns am meisten ausmacht. Menschlich sein. Das geht mit ein wenig Selbst-Leadership auch in einer digitalen Welt. Wie das ganz einfach geht?

Weniger dokumentieren, dafür mehr erleben und erzählen. In der echten Welt.