Digital Leadership im eigenen Leben

Ich beobachte zunehmenden Kontrollverlust im Umgang mit digitalen Instrumenten. Morgens werfen viele Menschen kurz nach dem Aufwachen einen Blick auf das Smartphone. News Checken. Wetter, Verkehr oder einfach Social Media. Abends im Restaurant viele komplett verarmte Paare, die immer wieder lieber auf ihre kalt leuchtenden Screens starren, als sich tief in die Augen zu schauen. Stummelkommunikation auf Twitter und voll gestresst von Instagram und Snapchat. Und irgendwie drängt sich beim Blick in berufliche Netzwerke der Gedanke auf, dass jeder mindestens einmal am Tag irgend einen Artikel oder Beitrag posten muss, den er irgendwo als Headline gesehen, aber nicht wirklich gelesen hat. Besser teilen als lesen. Und das soll Freude machen? Anreichern oder Kompetenz darstellen?

Digital Leadership – Mal anders gedacht

Leadership ist nicht immer unbedingt ganz vorne dabei zu sein, wenn es schon wieder irgend ein neues Gadget, ein Feature oder sonst was aus der binären Welt daher kommt, dass wir unbedingt nutzen müssen, um unser Leben zu vereinfachen. Wie wäre es mit dem Gedanken, sich mal eine ganze Woche gezielt kontrolliert zu verhalten? Also Kontrolle über die digitalen Instrumente und nicht umgekehrt. Vermutlich empfinden immer mehr Menschen gar keine Abhängigkeit. Wieso auch? Dem Raucher macht Rauchen Spass, wieso also reduzieren? Leadership bedeutet an erster Stelle Kontrolle über sich selbst. Wir sollten uns die Selbstkontrolle nicht von einem kleinen Gerät abnehmen lassen.

Die Zurückeroberung der Freiheit

Unheimlich viele Menschen zerstückeln sich und ihr Leben in kleine Teile, die sie dann in allerhand Netzen nach dem Motto: „ICH, ICH, ICH“ posten. Fotos werden eigentlich nicht wegen der Schönheit am erlebten geschossen, sondern eher, um anderen zu dokumentieren, wie wichtig man selber ist und was man nicht alles tolles erlebt hat. „ICH. ICH. ICH“. Diese kleinen verdammten Dinger reduzieren viele Menschen auf etwas, das sie gar nicht sind. Kunstwelten, in denen sich jeder von seiner Besten Seite zeigt. Auch intellektuell wird gepostet, was das Zeug hält. Wie können wir alle wieder ein Stück menschlicher werden, weniger digital, weniger egozentrisch? Zurück zur Freiheit, doch wie?

Autsch – das tut weh!

„Nö, das betrifft mich doch nicht. Vielleicht die anderen Idioten um mich herum, aber ich nutze das alles wirklich. Echt jetzt.“ Na ja, wer es denn glaubt. Es war schon klar, dass Steve Jobs Recht hatte, als er 2007 bei der Veröffentlichung des ersten iPhones sagte: „Das wird alles verändern.“ Dass es dann aber so fett kommt, hat wirklich zu dem Zeitpunkt kaum jemand gesehen. Nun, offenbar sind wir alle betroffen. Irgendwie. Wer beruflich aktiv ist kann sich kaum entziehen. Wir sind mitten drin, voll digitalisiert, doch wo ist der Ausgang?

Digital Leadership im eigenen Leben

Erneut die Kontrolle übernehmen, weniger Smartphone, mehr Augenkontakt. Weniger Chat, mehr Gespräch. Weniger Bilder, mehr echte Eindrücke. Es gibt kein Zurück, so viel steht fest und wir alle profitieren vom Segen dieser tollen Technologien, doch seien wir ehrlich, ab und zu müssen wir unsere Errungenschaften in die Schranken weisen, damit wir nicht das verlieren, was uns am meisten ausmacht. Menschlich sein. Das geht mit ein wenig Selbst-Leadership auch in einer digitalen Welt. Wie das ganz einfach geht?

Weniger dokumentieren, dafür mehr erleben und erzählen. In der echten Welt.

Digitalisierung kommt aus der Mitte der Organisation

Die A.T. Kearney-Studie „The Future of B2B Sales“ beschreibt wichtige Erkenntnisse, wie Digitalisierung umgesetzt werden kann. Einer der Kerngedanken deckt sich mit den Erfahrungen der Praktiker wie die von Klaus Endress von der Endress+Hauser-Gruppe:

Digitalisierung kommt aus der Mitte der Organisation

A.T. Kearney macht einen guten Vorschlag, aber wie die Strategen das umsetzen, wird nicht erklärt. Ich möchte einen Ansatz vorstellen, mit dem genau das gelingt: FAST TRACK. Die Methode kommt aus dem Bereich der Medizin. Und ich gebe zu, dass es ähnlich wie in der Medizin sehr anspruchsvoll ist und grundsolide Ausbildungen und viel Anwendungswissen erforderlich ist. Früher wurden Operationen an Patienten klassisch vorgenommen. Bei einer Herz-OP wurde beispielsweise der Brustkorb geöffnet. Mit einem Retraktor und die Nachbehandlung war fürchterlich und schmerzintensiv. Heute würde kein Chirurg den Körper öffnen, um einen Stent im Herzen zu setzen. Man geht minimalinvasiv vor, mit möglichst wenig Aufwand. Dabei werden kleine medizinische Werkzeuge am Bein eingeführt und zum Herzen bewegt.

Minimalinvasiv und aus der Mitte – Schritt 1

FAST TRACK ist minimalinvasiv und sichert den postoperativen Erfolg in der Leistungsorganisation. In einem ersten Schritt werden viele Beteiligte an der Veränderung vom Vorstand bis zum Sachbearbeiterlevel an einem einzigen Tag in einem INNOVATION CENTER zusammen arbeiten. Hoch effizient wird erstens die aktuelle Situation erfasst, zweitens ein Bild der Zukunft erstellt und drittens  mögliche Maßnahmen von allen Beteiligten definiert. Also IST – SOLL – ACTION ITEMS. Hier geht es nicht Top-down und auch nicht Buttom-up zu, sondern eben quer aus und durch die Gesamtorganisation.

Minimalinvasiv in die Mitte hinein – Schritt 2

Mit einem Konzept geschlossener Kreisläufe, dem FOKUSGRUPPEN-Konzept, wird abgesichert, dass alle Betroffene als Beteiligte in der Leistungsorganisation in regelmäßigen Abständen die Veränderung einüben und sich gegenseitig Feed-back geben, positiv, wie negativ. Quasi als Best Practice und Worst Practice, damit das Extrakt übrig bleibt, dass auch wirklich funktioniert. Dabei werden zwei Elemente miteinander kombiniert. Die neuen digitalen Inhalte, wie beispielsweise das Training mit einer frischen CRM-Plattform und psychologisch abgesicherte Methoden zum löschen alter und zum erlernen neuer Verhaltensweisen. Alles in vielleicht zwei Stunden alle zwei Wochen.

Lernen und löschen

Viele Leistungsorganisationen im Digitalisierungsumfeld machen fast alle den gleichen Fehler. Menschen werden mit neuen Werkzeugen und Methoden bekannt gemacht und darin trainiert. Genau so wichtig ist es aber auch, dass alte Werkzeuge abgeschafft werden, was noch recht einfach ist. Schwieriger wird es, wenn „eingefleischte“ Verhaltensweisen gelöscht werden müssen. Dem kommt man nur mit psychologischen Therapiewerkzeugen der „Löschung“ bei. An der Stelle steigen viele Entscheider aus, weil sie es für „Hokus Pokus“ halten, doch die Psychologie ist eine abgesicherte Wissenschaft, wie die Betriebswirtschaftslehre auch. Sie liefert ebenso robuste Ergebnisse in der Praxis. Es ist nur klug, dieses Know-how in Digitalisierungs-Initiativen anzuwenden.

Nicht ganz trivial

Puh, das klingt alles ziemlich kompliziert. Stimmt. So ist es auch. Robuste digitale Transformation ist kein klassisches Change Management, es ist eine Metamorphose, bei der neues zum Vorschein kommt und altes abgelegt werden muss. Wie die Veränderung einer Raupe zum Schmetterling. Wichtig dabei ist der Ansatz der Minimalinvasivität. Das ganze funktioniert eben nicht mehr mit tagelangen Workshops. Dafür ist weder Geld, noch Zeit vorhanden. Transformation muss quasi in und neben dem operativem Tagesgeschäft stattfinden. Mit FAST TRACK ist das möglich.

B2B Customer Journeys mit Design Thinking im Banking realisieren

Die Headline ist echt ein Klopper. Stimmt total. Das Problem ist, dass es ziemlich viel Erklärung für Einsteiger in die Thematik der digitalen Transformation abverlangt. Also mal langsam und am Beispiel dargestellt. Beginnen wir mit der Problem- und Aufgabenstellung in einem speziellen Fall bei einer Landesbank.

Ausgangslage

Sparkassen vergeben quasi täglich Kleinkredite bis zu 5 Mio. EUR. Um das Risiko besser zu managen, teilen die kreditvergebenden Sparkassen das Risiko mit einer Landesbank. Dieser Metakreditprozess erfordert einen hohen Abstimmungsbedarf zwischen Sparkasse und Landesbank auf Markt- und Marktfolgeseite. Bis der Kredit bewilligt und zugeteilt wird, findet ein umfangreiches Ping-Pong-Spiel zwischen den Instituten statt, um allen regulatorischen Anforderungen zu genügen und identifizierte Risiken abzusichern. Es werden quasi tonnenweise Informationen von A nach B geschaufelt und wieder zurück, geprüft, neu angefordert und so weiter, bis die ganze Nummer durchgezogen wurde. Ein sehr komplexer Prozess. Auf beiden Seiten sitzen Profis und jeder versteht sein Geschäft exzellent.

Die Idee

Die Landesbank hatte gleich mehrere Ideen dazu. Warum diesen komplexen Prozess nicht „einfach“ auf einer Plattform abwickeln? Ohne lästiges analoges hin und her von Informationen und Nachweisdokumenten, wobei Emails auch als analog gesehen wurden. Und wenn schon, denn schon: Warum das ganze nicht einfach aus Kundensicht gestalten, wobei der Kunde der Landesbank die Sparkassen mit ihren Kreditexperten sind. Kurzer Hand sucht sich die Landesbank einen Berater, der ein Design Thinking-Projekt unterstützt. Ziel: Radikale Ausrichtung der Metakreditprozesse an der „Customer Journey“, Erstellung eines Prototypen in Form eines MVP (Minimal Viable Product) und als Nebeneffekt eine schöne Kostenreduktion mit Prozesseffizienzsteigerung realisieren.

Das Projektvorgehen – ganz einfach

Was kompliziert klingt, wird jetzt recht einfach. Wirklich! Als Projektleiter des Beratungsunternehmens – wie gesagt, auf diesem Blog keine Werbung – hat mir die Landesbank die Freiheit eingeräumt, mit dem Team so vorzugehen, wie es Sinn macht. Also haben wir uns als kleiner Inkubator eingeschlossen und erst mal in einem ebenso kleinem Team die Ist-Prozesse angeschaut und frei dokumentiert, also an Brown-Papers und nix mit einem teuren ARIS o.ä. digitalen Tools. Ja genau, in einem Digitalisierungsprojekt. Richtig gelesen. Wie ich sagte, es ist gar nicht so schwer, wenn man es richtig macht. Und es ist auch gar nicht so teuer. Anders formuliert, wenn es zu teuer wird, stimmt etwas nicht.

Aber zur Sache: Nachdem wir also die „Insight-out-Perspektive“ definiert hatten, ging es jetzt um die Kundenperspektive, also die Perspektive und das Erlebnis der Kreditexperten bei den Sparkassen, für die wir eine wunderschöne Customer Journey gestalten wollten. Jetzt also „outsight-in“, von außen nach innen gestaltet. Kurzer Hand haben wir Workshops mit einer repräsentativen Sparkasse durchgeführt. Repräsentativ im Sinne von „liegt im arithmetischen Mittel“. Die dortigen Kreditexperten, samt Vorstandmitglied haben ihre Erlebnisse und Anforderungen auf ihrer Kundenreise mit uns geteilt. Natürlich wurden die Brown-Paper systematisch a la Design Thinking und Customer Journey Mapping-typisch mit Know-how zugekleistert.

MVP – Erstellung der Lösung

Mit den Ergebnissen in der Tasche haben wir uns wieder eingeschlossen und in Experten-Arbeitstreffen mal einfach ein Stück Plattform (IT-Lösung) auf Basis unserer Unterlagen entworfen. Bildschirm für Bildschirm haben wir die Customer Journey mit den Inhalten des komplexen Metakreditprozesses auf dem Scratch entwickelt. Fern ab von uns hat eine Agentur in der anderen Hälfte der Republik mit uns virtuell den Prototypen erschaffen. Täglich haben wir uns im Team die Zwischenstände angesehen und entsprechende Anpassungen angefordert, die wiederum tagesgleich umgesetzt wurden. Design Thinking in Reinkultur, schneller als jedes agile Projekt.

Das Ergebnis

Das Ergebnis haben wir wenige Wochen später der Sparkasse demonstriert. Ganz zu deren Verblüffen. So etwas hatte weder Vorstand, noch Kreditexperten jemals zuvor gesehen. Na ja, vielleicht nach einem Jahr Entwicklungsarbeit, aber genau darum ging es ja. Wettbewerbsvorteile müssen durch Speed und die Fähigkeit von „go to market“ generiert werden. Letzten Endes haben wir das „abgenommene“ Ergebnis intern bei der Landesbank präsentiert und auch Begeisterung beim Vorstand auslösen können. Üblicherweise sind in solchen Projekten erst mal Tonnen an Prozessdokumentation vorhanden. Bei uns – mit nichten! Aber ein Stück Software/eine Plattform, eine Lösung, mit der die hoch innovativen und an der Customer Journey ausgerichteten Prozesse realisiert wurden. Eine andere Sache ist die Integration in die bestehende IT-Architektur, aber ohne den Design Thinking-Ansatz hätte alleine dieser Prozess erst mal locker ein Jahr verschlungen und damit nicht nur Zeit, sondern auch ordentlich viel Geld und was am wichtigsten ist, Verlust an Wettbewerbsvorteil.