Teil 3 – Glaubwürdigkeit in der digitalen Welt: Interessengebundenheit

Serie auf Think Digitally über den Paradigmenwechsel im Vertrieb/ der Marktbearbeitung


„Wir hatten BASIC – nur hatten wir’s nicht.“

So oder so ähnlich beschreibt Bill Gates selbst die Geburtsstunde von Microsoft in seinem aktuellen Beitrag zum 50-jährigen Jubiläum des Unternehmens (gatesnotes.com). Gemeinsam mit Paul Allen behauptete er 1975 gegenüber Ed Roberts von MITS, man hätte eine lauffähige Version von BASIC – obwohl das zu diesem Zeitpunkt schlichtweg nicht stimmte. Heute nennt man das: Pre-Selling. Oder eben: Eine Idee mit voller Überzeugung vertreten, bevor sie zur Wirklichkeit wird.

Was hat das mit Glaubwürdigkeit zu tun?


Interessengebundenheit: Die unsichtbare Triebfeder

Wir alle handeln interessengebunden. Gründer, Vertriebler, Softwareentwickler – niemand ist neutral. Bill Gates hatte ein Interesse: Er wollte den Deal. Und dafür war er bereit, eine Idee zu verkaufen, bevor sie überhaupt in Code gegossen war. Der Clou: Es war nicht nur eine Lüge. Es war auch eine Vision. Eine Vision, die in kürzester Zeit zur Realität wurde.

Die Frage ist nicht, ob jemand ein Interesse verfolgt. Die Frage ist, ob das Interesse transparent gemacht wird.


Glaubwürdigkeit entsteht durch die Offenlegung von Interessen

Vertriebler versprechen Lösungen. Entwickler verkaufen Roadmaps. Berater versprechen Transformation. Und immer steckt ein Interesse dahinter: zu überzeugen, zu gewinnen, zu wachsen. Das ist legitim – solange es offen kommuniziert wird. Wer so tut, als sei er nur am Kundenwohl interessiert, verliert an Glaubwürdigkeit.

Glaubwürdig ist nicht, wer keine Interessen hat – glaubwürdig ist, wer mit seinen Interessen ehrlich umgeht.


Was bedeutet das für moderne Dienstleister und Softwareanbieter?

  1. Zeig dein Warum. Warum verkaufst du diese Lösung? Was treibt dich an?
  2. Steh zu deinem „Noch-nicht“. Viele versprechen heute fertige Lösungen, obwohl sie sich noch in der Entwicklung befinden. Das ist okay – solange du sagst: „Wir haben einen klaren Weg dorthin.“
  3. Baue Vertrauen durch Transparenz. Interessengebundenheit wird dann zum Pluspunkt, wenn sie klar benannt wird.

Bill Gates als Beispiel für Ehrlichkeit in der Retrospektive

Dass Gates heute offen über die anfängliche Lüge spricht, macht ihn nicht unglaubwürdig – im Gegenteil. Es zeigt: Wahrheit braucht oft Zeit, aber Glaubwürdigkeit entsteht dort, wo jemand später Verantwortung übernimmt.


Der Tipp für dich:

Glaubwürdigkeit bedeutet nicht Perfektion. Sie bedeutet nicht, immer schon alles zu haben. Sie bedeutet, Interessen nicht zu verschleiern – sondern sie bewusst zu machen. In einer Welt, in der Lösungen oft verkauft werden, bevor sie existieren, ist offene Interessengebundenheit ein kraftvoller Hebel für Vertrauen.

Einfach gesprochen – Fahr mit offenem Visir.

Nachsatz: Und was ist jetzt mit BASIC?

Zur Einordnung: Bill Gates und Paul Allen haben BASIC nicht erfunden – das waren John G. Kemeny und Thomas E. Kurtz am Dartmouth College. Sie entwickelten BASIC 1964 als einfache Sprache für Studierende und stellten sie frei zur Verfügung. Was Gates und Allen jedoch taten, war bemerkenswert: Sie adaptierten diese Sprache für den brandneuen Mikrocomputer Altair 8800 – ohne sie bereits fertig zu haben, aber mit einem klaren Ziel vor Augen.

Sie entwickelten innerhalb weniger Wochen eine funktionierende Version von BASIC für den Altair – und legten damit den Grundstein für Microsoft. Keine Patentverletzung, kein Diebstahl – sondern Unternehmertum, Timing und der Mut, eine Idee zur Wirklichkeit zu machen, bevor sie überhaupt existierte.

Ich persönlich habe BASIC als fünfzehnjähriger Schüler auf dem Commodore C-64 gelernt und hatte großen Spass in der Anwendung dieser einfachen Programmiersprache auf dem 8-Bit Computer (so entstand beispielsweise in den 1980ern mein Programm ADRESSMAT, die Adressbuchverwaltung).

Wie Steve Jobs auch?

… und: Auch Steve Jobs verkaufte den ersten Apple Computer, obwohl er ihn nicht hatte. Das haben Bill Gates und Steve Jobs, die Wurzeln von Apple und Microsoft gemeinsam.

Quelle des Bildes: GatesNotes.com

CX-Visionen?

Eine Vision hängt ziemlich hoch, quasi in den Wolken. Ein Zielbild dagegen ist etwas präziser, kann besser formuliert werden und ist damit etwas greifbarer. Was eignet sich nun für eine Initiative zur Digitalisierung besser – Das Zielbild oder eine Vision? Beginnen wir mit einer Vision, ganz konkret!

Mit der SUCCES-Formel eine Vision erstellen. Und so geht’s:

  • Simple
  • Unexpected
  • Concrete
  • Credible
  • Emotional
  • Story

Eine kurze Geschichte vorweg. Ein geschätzter Kunde, ein deutsches global tätiges Unternehmen in der Luftfahrtindustrie, formulierte eine CRM-Vision. Diese Vision war komplett richtig, doch selbst ich hatte als Experte für CX/CRM meine Schwierigkeiten damit, diese Vision zu verstehen. Viele Fachbegriffe prägten einen sehr langen Satz. Es waren sogar viele Sätze. Also haben wir uns an die Arbeit gemacht und das ganze einfacher formuliert; Als Projektbestandteil an nur einem einzigen Tag (kein Scherz; mit Ergebnis). Dabei hat uns Kennedy, der frühere amerikanische Präsident geholfen. Dieser sagte:

„(…) before this decade is out, (…) landing a man on the Moon and returning him safely to Earth.“

John F. Kennedy; 25.05.1961

Nun, er hätte ja auch sagen können: „Mit unserer außerordentlichen Kompetenz im Space Engineering und der damit verbundenen Kraft der internationalen und nationalen Kollaboration wird es uns gelingen auf Basis der bereits erworbenen Erkenntnisse aus der Raketenwissenschaft eine bemannte Reise zum Mond …“ und so weiter. Hat er aber nicht. Er formuliert es nach der SUCCES-Formel und damit will ich kurz beschreiben, wie eine konkrete Vision erstellt werden kann, die uns bei Initiativen der digitalen Transformation hilft.

SIMPLE

Visionen sind verständlich, wenn sie einfach formuliert sind. Simple. Wenn Zuhörer oder Leserinnen eine Botschaft einfach verstehen, dann kann die Botschaft auch genau so einfach verarbeitet werden. Frage dich doch einfach mal, ob die Vision so einfach zu verstehen ist, wie eine Werbung. Sehr einfach, in Sekunden zu verstehen.

UNEXPECTED

Wenn etwas unerwartet kommt, bewirkt es häufig ein: „Whhooouuuaaaa, wie cool ist das denn!“ Grade ging es noch um Kognitionen. Jetzt geht es um Emotionen. Wer es schafft, Gefühle zu adressieren und zwar mit einem Überraschungsmoment, der hat für die Vision eine prima Grundlage gelegt.

CONCRETE

Empfänger einer Vision stellen sich häufig die Frage: „OK, was ist da für mich drin? Was bringt mir das?“ An der Hürde scheitern viele Wolken-Kuckuksheim-Visionen. Je konkreter eine Vision für denjenigen ist, den sie betrifft, desto besser überzeugt das beim Start einer Initiative.

CREDIBLE

Glaubwürdigkeit (Credibility) ist schwer zu erreichen. Glaubwürdigkeit ist nicht einfach so vorhanden, noch kann sie schnell erzeugt werden. Glaubwürdigkeit muss erarbeitet werden. Menschen beobachten sehr genau, was ihnen gesagt wird und wie die Taten mit Worten übereinstimmen. Kommt es zum Bruch, war es das mit der Glaubwürdigkeit. So gesehen ist Glaubwürdigkeit die Basis für eine gute Vision. Ohne Glaubwürdigkeit wird es extrem schwer.

EMOTIONAL

Wem es gelingt, die Herzen zu berühren, der ist ziemlich weit vorne. Leider wird bei vielen Initiativen zur Digitalisierung noch zu viel aus dem Kopf gesteuert. Der Herzensfaktor ist oftmals unterrepräsentiert. Das hat sicherlich auch was mit der Materie zu tun, denn Digitalisierung scheint auf den ersten Blick recht blutleer. Die Wahrheit ist aber, dass gute digitale Lösungen extrem emotional sind. Beispiele sind das iPhone, Instagram, Salesforce Sales Cloud oder auch Microsoft Teams.

STORY

Klar nä? Storytelling. Jede gute Vision hat eine gute Geschichte. Die Story erweckt am Ende alles zum Leben. Ganz nebenbei sind Geschichten emotional, glaubwürdig und haben oft einen einfachen Hintergrund. Hier kommt eins zum anderen, denn die Story ist nur dann wirklich gut, wenn sie auch glaubwürdig ist. In dem Fall wurde Glaubwürdigkeit in der Vergangenheit erworben und kann jetzt eingebracht werden. Konkret, die Story sollte echt sein und nicht erfunden (Authentizität).

Los geht’s

Jetzt erst mal viel Freude bei der Schöpfung einer angepassten oder sogar frischen, neuen Vision. Viel Erfolg! … Ach so, „CX-Visionen“ ist ja nur ein Anwendungsfall. So Sorry 😉

Empowering

Es wäre zu schön, wenn eine Methode für alle funktionieren würde. So langsam setzt sich aber die Erkenntnis durch, dass tatsächlich jede Leistungsorganisation so individuell ist, wie jeder Mensch. In der Tat gibt es gleiche Elemente und Prinzipien in Organismen, aber jeder Organismus ist dennoch recht einzigartig, individuell geprägt in seiner Historie.

Die neue Realität

Wenn Standardisierung die tatsächliche oberste Maxime darstellt, brauchen wir keine Befähigung (Ermächtigung) von Personen und Organisationen. Wenn der Standard das Ziel ist, reicht es vollkommen aus, alle in den Standard hinein zu pressen. In starren Organisationen hat das gut gepasst.

Doch unsere neue Welt ist geprägt von Disruption, Kreativität, Diversität und Komplexität. Noch ein paar Zutaten mehr? Geschwindigkeit, Vernetzung und Unschärfe.

Empowering als zentrales Erfolgsrezept

„Wissen ist begrenzt“ – Soviel steht fest. Wenn sich jede/r und alles aber ständig anpasst an Krisen jeglicher Couleur, dann sind Organisationen und Menschen im Vorteil, die zuvor befähigt wurden, kreativ und eigenständig auf Veränderungen schnell zu reagieren. Aus genau dem Grund haben sich agile Methoden gegenüber klassischen starren Planungen durchgesetzt. Das ganze funktioniert auch nur dann wirklich gut, wenn es als Kultur gelebt wird und nicht nur als Methode. Es zeigt sich jedoch erst in der Krise, ob EMPOWERING stattgefunden hat.

Selbstverantwortung und Vielfalt

Aus Erfahrung kann ich berichten, dass Initiativen zur Digitalisierung und Transformation immer dann besonders erfolgreich zum Ergebnis kommen, wenn die Akteure in Selbstverantwortung agieren. Klingt recht simpel, aber immer wieder tendieren Leistungsorganisationen dazu, Anweisungen von oben nach unten zu exekutieren. Oft sogar gepaart mit einer entsprechenden abgeschlossenen Kommunikation, die einen Dialog, geschweige denn Kreativität erst garnicht zulässt. Ein perfektes Rezept zum Scheitern.

Eine Kultur für Empowering

Befähigung kann einfacher sein, als gedacht, weil es bedeutet, Menschen und Organisationseinheiten Gelegenheit zu geben, auf Basis eigener Motivation, kreativer Ideen und in Vielfalt Lösungen zu entwickeln, die genau passen. Für Führungskräfte, die mit Taylor groß geworden sind, durchaus ein gewagter Ansatz, doch die neue Realität lässt eigentlich keine Alternative zu. Sowohl gesellschaftlich, kulturell und auch individuell. Das ist unsere Entscheidung in einer Marktwirtschaft, die funktioniert, die innovativ ist und die schneller ist, als jede Form der Planwirtschaft.

Freiheit und Freiheitsspielräume

Befähigung findet in einer Atmosphäre von Freiheitsspielräumen statt, in denen „Fail fast“ erlaubt ist. Es bedeutet aber nicht, dass im „free flow“ ohne Regeln und Abstimmungen gearbeitet werden kann. Genau hier kommen die vielbeschworenen Technologien zum Einsatz. Plattformen, die Daten in einer „Single source of truth“ für alle Beteiligten transparent zugänglich machen sind die Basis für schnelle und abgestimmte Entscheidungen. Entscheidungen, die von Individuen getroffen werden, die das Wohl des Gesamtorganismus im Blick haben.