Verlässlichkeit im Umbruch – Geht das?

Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank spricht auf der Handelsblatt Tagung davon, dass die vor uns liegenden Umbrüche alles in den Schatten stellen werden. Er Berichtet, wie so ziemlich alle von dem Erfolgsmodell Apple und darüber, wie der einst starke Marktführer NOKIA sich quasi in Luft auflöste. Damit leitete er ein, wieso wir in Deutschland zumindest eine große international ausgerichtete Bank brauchen. Na klar, die Deutsche Bank. So weit so gut. In der Fragerunde kommt wie es kommen muss. Es wird die Frage nach Innovationskraft in der IT gestellt und hier zeigt Sewing, dass ihm die Auswirkungen der technologischen Entwicklungen, die durch Kundenanforderungen getrieben werden, noch nicht so ganz klar sind (meine ich erst mal).

Verlässlichkeit ist wichtig – wirklich?

„Eins ist ganz wichtig, die Verlässlichkeit der Systeme (…) parallel dazu müssen wir sie noch schneller (…) machen“, so Sewing. Hier in Deutschland könnte es sein, dass erst mal alle brav nicken. Leider ist das heute nicht mehr das wichtigste und ich will am Beispiel Siemens zeigen, warum diese Annahme vollständig verkehrt ist.

Bei Siemens Communications war Verlässlichkeit das wichtigste

Direkt vorweg, Siemens COM existiert nicht mehr und die Reste hat ein Investor aufgesammelt. Seit 2005 habe ich Siemens in diesem Umfeld beraten. Unter anderem war die Verlässlichkeit von großen PBX-Anlagen für etwa 100.000 Anwender im Fokus. Teure Preise, komplexe Integrationsprojekte und zahlreiche Features wurden höher bewertet, als der Komfort einer virtuellen Lösung. Das Hauptargument war Verlässlichkeit. Konkret: „Wer will schon eine Telefonanlage, bei dem die Leute aus den Konferenzschaltungen raus fliegen. Dafür bezahlen die Kunden“, so die Ingenieure bei Siemens mir gegenüber. Ich habe dagegen gehalten und geraten, das komplette Modell zu Ändern, weil Kunden mit weniger Verlässlichkeit zufrieden sind, wenn die Lösung insgesamt günstiger, schneller und vor allem komfortabler ist. Lange Rede, kurzer Sinn. Siemens hat den Knall nicht gehört und durfte zu guter letzt die gesamte Sparte einstampfen. Nun gut, verkauft für 1 EUR an Alec Gores. Ende der Geschichte.

Verlässlichkeit ist nicht mehr das wichtigste – Auch bei Banken

Verlässlichkeit der IT Systeme ist nicht das strategische Kriterium für zukünftigen Erfolg. Das Kernkriterium ist Anwenderfreundlichkeit. Sowohl für Kunden, als auch für Akteure innerhalb der Leistungsorganisationen. Wer heute sehr verlässliche, sehr gut integrierte Systeme, mit einem stabilen Kern entwickelt, tut gut daran, aber die zentrale Frage ist: WO? Welche Systeme?

System ist nicht System!

Im Backend ist Verlässlichkeit nach wie vor Trumpf, aber keinesfalls gilt dies für Plattformen und Systeme zur Marktbearbeitung. An der Kundenschnittstelle, den Funktionsbereichen Marketing, Vertrieb und  Service ist coolnes, Einfachheit und Anwenderfreundlichkeit der entscheidende Erfolgsfaktor.

Herr Sewing hat Recht, was die Backend-Systeme betrifft, aber leider hat er komplett unrecht, was die Systeme zur Marktbearbeitung betreffen. Er hat richtig analysiert, dass die vor uns stehenden Umbrüche (insbesondere im Bankensektor) alles bisherige in den Schatten stellen werden und die Analyse muss hier differenziert weiter geführt werden, denn Erfolg in der Marktbearbeitung wird eben in Zukunft stärker durch Anwenderfreundlichkeit, als durch Verlässlichkeit geprägt werden.

Ich schreibe das, weil ich diese Diskussion schon seit 20 Jahren bei großen Unternehmen führe. Erfreulicher Weise konnte ich aber auch schon oft und nach vielen Projekten beobachten, wie der Ansatz der Anwenderfreundlichkeit (für Kunden und Mitarbeiter) zum Ziel führte. Mein Buch zu diesem Thema (festhalten, aus dem Jahr 2002) wurde von den Vice Präsidenten meines damaligen Arbeitgebers Ernst & Young wie folgt bewertet:

„Harry, das ist alles richtig, aber der Markt wird frühestens in 10 Jahren dafür reif sein. Das versteht heute noch keiner“.

Das war 2002. Eigentlich müsste der Reifungsprozess fortgeschritten und das Verständnis vorhanden sein.

Prototyp als Entscheidungsgrundlage – So geht’s … EINFACH

https://youtu.be/zyZc0BTocMY

Entscheidungen auf Basis von TCO-Berechnungen, umfangreichen Ergebnis PPT’s oder Berater-Experten? Das war einmal. Heute muss alles schneller gehen. Entscheidungen können auch nicht mehr ausschließlich auf einem Set von Annahmen basieren. Mit modernen Methoden und Technologien ist es heute möglich, Entscheidungen auf der Basis von Lösungen zu treffen. Wie das konkret funktioniert, lesen Sie hier an einem Beispiel.

Der Kunde

Die Landesbank Hessen Thüringen Girozentrale (Helaba) ist eine Geschäftsbank mit Stammregionen in Hessen und Thüringen, primär ausgerichtet auf das Großkundengeschäft. Mit etwa 6.150 Mitarbeitern gehört der Helaba-Konzern zu den größeren deutschen Landesbanken. Die Helaba ist eine rechtsfähige  Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Compliance Anforderungen in diesem Umfeld liegen so hoch, dass sie als Referenz für verschiedene Branchen dienen können.

Der Fall

Für Sparkassen ist die Abwicklung von Metakrediten komplex und aufwendig:

  • Risikoanforderungen sind historisch gewachsen und haben sich geändert
  • Bindung von Mitarbeiterkapazitäten in teildigitalen Prozessen
  • Limitierte technische Prozess-unterstützung in Standardwerkzeugen mit hohem Komplexitätsgrad
  • Aufwendige Kommunikationsschleifen
  • Viel Papier, lange Versandwege, Prozesshürden
Eigentlich ein ganz normales alltägliches Umfeld, vergleichbar mit Situationen in vielen Unternehmen, nicht nur bei Banken und Instituten.
Das Ziel

Die Helaba möchte digitale, schlanke Kundenerlebnisse für die Sparkassen-Experten im Meta-Geschäft erzeugen.Mit einer zukunftsfähigen Plattform soll der Vertrieb innovativer und effizienter gestaltet werden. Ziel ist die Steigerung der Beratungsqualität und Abschlussquoten, sowie Wachstum und Ausbau der Marktposition im Wettbewerb.

Hier wurde alles richtig gemacht, denn es wurde im Kern vom Kunden her gedacht. Der typische Customer Journey Ansatz. Kunden sind in diesem Fall die Sachbearbeiter in den vielen hundert Sparkassen, die Metakreditgeschäfte zusammen mit der Helaba bearbeiten.

Das Vorgehen / Das Team

In einem gemischten Team mit unterschiedlichen Expertenschwerpunkten unterstützten wir die Helaba als innovativer Berater mit Design Thinking als Methode im Metakredit-Geschäft. Es sollte ein Click-Dummy erstellt werden, der als Vorlage für eine Vorstandsentscheidung dient.

Das Team bestand aus hoch erfahrenen Experten des Instituts aus den Bereichen Markt, Marktfolge und Innovationsmanagement. Als Berater haben wir den Rahmen geliefert, Design Thinking als Methode und das Entwicklerteam, dass quasi über Nacht unsere täglich ausgearbeiteten Lösungen in Software umsetzte. Wir haben uns ein wenig wie das Team von Steve Jobs gefühlt, der bei der Mac-Entwicklung seine Leute auch aus dem Alltagsgeschäft raus gezogen hat und in einem separaten Gebäude mit Piratenflagge Lösungen entwickelte. Wir waren zwar nicht in einem solchen Gebäude und hissten auch keine Flagge, aber unsere Projektfläche war ähnlich gut isoliert vom Tagesrauschen. Der Product Owner der Helaba war immer ansprechbar und sofort bei uns, wenn Anforderungen spezifiziert werden mussten.

Mit den Ergebnissen dieses Ansatzes lieferten wir der Helaba ein Gesamtpaket zur Entscheidungsfindung, um den Metakredit-Prozess digital und innovativ zu gestalten.

Die Arbeitsschritte / Das Ergebnis

  • Durchführung des Design Thinking-Ansatzes in 3 Phasen
  • Vollständige Anforderungserhebung der Metakredit-Geschäftsprozesse aus Sicht der Sparkassen sowie Helaba für Markt und Marktfolge
  • Redesignbestehender Geschäftsprozesse sowie Überführung in ein innovatives Soll-Geschäftsprozessmodell
  • Prototypenentwicklung als Entscheidungsgrundlage zusammen mit dem TCO

Nutzen

  • Rapid Prototyping der Meta-Geschäftsprozesse unter Anwendung von Design Thinking
  • Realisierung der innovativen Anwendung als vollständiger Click-Dummy in weniger als 12 Wochen
  • Belastbare Entscheidungsvorlage in Form eines Prototypen (erfahrbare Lösung)
  • Erhöhte Attraktivität der Helaba-Zusammenarbeit für die Sparkassen

Wollen Sie wissen, wie Sie Design Thinking, Rapid Prototyping oder einen agilen Ansatz zur Entscheidungsfindung nutzen können? Sprechen Sie mich an. Aber bitte nur dann, wenn die Anforderungen von Kunden und Fachbereich im Vordergrund stehen.

 

B2B Customer Journeys mit Design Thinking im Banking realisieren

Die Headline ist echt ein Klopper. Stimmt total. Das Problem ist, dass es ziemlich viel Erklärung für Einsteiger in die Thematik der digitalen Transformation abverlangt. Also mal langsam und am Beispiel dargestellt. Beginnen wir mit der Problem- und Aufgabenstellung in einem speziellen Fall bei einer Landesbank.

Ausgangslage

Sparkassen vergeben quasi täglich Kleinkredite bis zu 5 Mio. EUR. Um das Risiko besser zu managen, teilen die kreditvergebenden Sparkassen das Risiko mit einer Landesbank. Dieser Metakreditprozess erfordert einen hohen Abstimmungsbedarf zwischen Sparkasse und Landesbank auf Markt- und Marktfolgeseite. Bis der Kredit bewilligt und zugeteilt wird, findet ein umfangreiches Ping-Pong-Spiel zwischen den Instituten statt, um allen regulatorischen Anforderungen zu genügen und identifizierte Risiken abzusichern. Es werden quasi tonnenweise Informationen von A nach B geschaufelt und wieder zurück, geprüft, neu angefordert und so weiter, bis die ganze Nummer durchgezogen wurde. Ein sehr komplexer Prozess. Auf beiden Seiten sitzen Profis und jeder versteht sein Geschäft exzellent.

Die Idee

Die Landesbank hatte gleich mehrere Ideen dazu. Warum diesen komplexen Prozess nicht „einfach“ auf einer Plattform abwickeln? Ohne lästiges analoges hin und her von Informationen und Nachweisdokumenten, wobei Emails auch als analog gesehen wurden. Und wenn schon, denn schon: Warum das ganze nicht einfach aus Kundensicht gestalten, wobei der Kunde der Landesbank die Sparkassen mit ihren Kreditexperten sind. Kurzer Hand sucht sich die Landesbank einen Berater, der ein Design Thinking-Projekt unterstützt. Ziel: Radikale Ausrichtung der Metakreditprozesse an der „Customer Journey“, Erstellung eines Prototypen in Form eines MVP (Minimal Viable Product) und als Nebeneffekt eine schöne Kostenreduktion mit Prozesseffizienzsteigerung realisieren.

Das Projektvorgehen – ganz einfach

Was kompliziert klingt, wird jetzt recht einfach. Wirklich! Als Projektleiter des Beratungsunternehmens – wie gesagt, auf diesem Blog keine Werbung – hat mir die Landesbank die Freiheit eingeräumt, mit dem Team so vorzugehen, wie es Sinn macht. Also haben wir uns als kleiner Inkubator eingeschlossen und erst mal in einem ebenso kleinem Team die Ist-Prozesse angeschaut und frei dokumentiert, also an Brown-Papers und nix mit einem teuren ARIS o.ä. digitalen Tools. Ja genau, in einem Digitalisierungsprojekt. Richtig gelesen. Wie ich sagte, es ist gar nicht so schwer, wenn man es richtig macht. Und es ist auch gar nicht so teuer. Anders formuliert, wenn es zu teuer wird, stimmt etwas nicht.

Aber zur Sache: Nachdem wir also die „Insight-out-Perspektive“ definiert hatten, ging es jetzt um die Kundenperspektive, also die Perspektive und das Erlebnis der Kreditexperten bei den Sparkassen, für die wir eine wunderschöne Customer Journey gestalten wollten. Jetzt also „outsight-in“, von außen nach innen gestaltet. Kurzer Hand haben wir Workshops mit einer repräsentativen Sparkasse durchgeführt. Repräsentativ im Sinne von „liegt im arithmetischen Mittel“. Die dortigen Kreditexperten, samt Vorstandmitglied haben ihre Erlebnisse und Anforderungen auf ihrer Kundenreise mit uns geteilt. Natürlich wurden die Brown-Paper systematisch a la Design Thinking und Customer Journey Mapping-typisch mit Know-how zugekleistert.

MVP – Erstellung der Lösung

Mit den Ergebnissen in der Tasche haben wir uns wieder eingeschlossen und in Experten-Arbeitstreffen mal einfach ein Stück Plattform (IT-Lösung) auf Basis unserer Unterlagen entworfen. Bildschirm für Bildschirm haben wir die Customer Journey mit den Inhalten des komplexen Metakreditprozesses auf dem Scratch entwickelt. Fern ab von uns hat eine Agentur in der anderen Hälfte der Republik mit uns virtuell den Prototypen erschaffen. Täglich haben wir uns im Team die Zwischenstände angesehen und entsprechende Anpassungen angefordert, die wiederum tagesgleich umgesetzt wurden. Design Thinking in Reinkultur, schneller als jedes agile Projekt.

Das Ergebnis

Das Ergebnis haben wir wenige Wochen später der Sparkasse demonstriert. Ganz zu deren Verblüffen. So etwas hatte weder Vorstand, noch Kreditexperten jemals zuvor gesehen. Na ja, vielleicht nach einem Jahr Entwicklungsarbeit, aber genau darum ging es ja. Wettbewerbsvorteile müssen durch Speed und die Fähigkeit von „go to market“ generiert werden. Letzten Endes haben wir das „abgenommene“ Ergebnis intern bei der Landesbank präsentiert und auch Begeisterung beim Vorstand auslösen können. Üblicherweise sind in solchen Projekten erst mal Tonnen an Prozessdokumentation vorhanden. Bei uns – mit nichten! Aber ein Stück Software/eine Plattform, eine Lösung, mit der die hoch innovativen und an der Customer Journey ausgerichteten Prozesse realisiert wurden. Eine andere Sache ist die Integration in die bestehende IT-Architektur, aber ohne den Design Thinking-Ansatz hätte alleine dieser Prozess erst mal locker ein Jahr verschlungen und damit nicht nur Zeit, sondern auch ordentlich viel Geld und was am wichtigsten ist, Verlust an Wettbewerbsvorteil.