Change Management 1

Es gibt zu viele Mythen um Change Management, zu wenig sozialpsychologische Substanz, zu wenig robuste Messverfahren und noch weniger Steuerungskonzepte, die wissenschaftlich fundiert und in der Praxis erprobt wurden. Mit dieser Serie gehen wir der ganzen Sache auf den Grund. Unser bester Berater ist die Skepsis gegenüber der Wirksamkeit von Change-Konzepten. Los geht’s.

Teil 1 – Klassischer Change Verlauf

Direkt eine Sache vorweg. Ich habe selten so viel Mumpitz in einer Grafik gesehen, wie in der klassischen Darstellung von Veränderungen. Dort gibt es zwei Achsen. Die eigene wahrgenommene Kompetenz (Ordinate) wird im Zeitverlauf (Abszisse) nach Ankündigung und weiteren Maßnahmen einer Veränderung abgebildet. Angeblich reagieren Menschen erst mal mit einem Schock. Alle weiteren Entwicklungen sind eigentlich egal, weil sie allesamt von einem monokausalen Modell ausgehen, dass nicht ansatzweise der Realität entspricht. Kein Wunder also, dass die folgenden Change Maßnahmen nicht geeignet sind, um das Ziel der Veränderung zu erreichen.

Was ist falsch am klassischen Change-Modell?

Wissenschaftlich würde ich mal einfach die Frage stellen: „Wie exakt wird ein Schock gemessen und bei welchem Schwellwert kann von einem solchen gesprochen werden?“ Narrativ reicht aber eine viel einfachere Frage aus: „Sind alle Menschen in einer Leistungsorganisation geschockt, wenn sie von einer geplanten Veränderung hören?“

Ein Schock ist medizinisch klar definiert als plötzliches Versagen der Körperfunktionen, was zu einem akuten Missverhältnis von Versorgungsleistungen des Herzens und Bedarf des Körpers führt. Bereits hier sehen wir, dass die Sprache nicht ansatzweise geeignet ist, um den Beginn einer Veränderung in einer Leistungsorganisation zu beschreiben. Wieso sollten alle Menschen gleichermaßen geschockt sein? Hinzu kommt, dass wir dort auch Menschen vorfinden, die zum Cluster der „Arrowsal Seeker“ gehören, also Menschen, die eine gewisse Aktivation in ihrem täglichen Arbeitsumfeld suchen. Also weit ab von Ruhe und Gleichmäßigkeit.

So erkennen Sie Change Management Mumpitz

Wenn Sie als Entscheider also das klassische Modell eines Change Management-Prozesses als Basis von Handlungsoptionen vorgelegt bekommen, dürfen Sie das Gespräch selbstbewusst beenden, weil hier bereits viel zu wenig Substanz, dafür zu viel Change Hokus-Pokus enthalten ist. Stellen Sie doch einfach folgende Fragen. Auf die Antworten dürfen Sie echt gespannt sein:

  • Wie definieren Sie einen Schock?
  • Wieso wird die Definition eines Schocks auf die eigene Wahrgenommene Kompetenz eines Individuums übertragen?
  • Wieso reagieren äußerst innovationsfreudige Menschen bei einer Ankündigung einer Veränderung mit einem Schock? Müssten diese nicht eher motiviert sein?
  • Wieso werden kognitive und emotionale Konzepte im klassischen Modell miteinander vermischt?
  • Wieso wird davon ausgegangen, dass alle Menschen gleichermaßen auf eine Veränderung reagieren, was das Modell impliziert?
  • Welche Modelle der differenzierten Betrachtung stehen ansonsten noch zur Verfügung?
  • Wieso sind keine gruppendynamischen sozialpsychologischen Konzepte neben Reaktanz und Akzeptanz berücksichtigt? Was ist beispielsweise mit Social Impact von Latané oder der Dissonanztheorie von Festinger – Wo finden diese Konzepte in dem Modell Berücksichtigung?

Die Liste kann beliebig weiter geführt werden. Ich verzichte weiter auf einen Frontalangriff auf dieses Mumpitz-Konzept, dass sich jeglicher soliden wissenschaftlicher Grundlage entzieht und überlasse die Überprüfung dem Leser.

In den nächsten Beiträgen werde ich auf robuste Konzepte zur Veränderung in Leistungsorganisationen eingehen, die wissenschaftlich in der Sozialpsychologie abgesichert sind.

Change Manager Tipps

Du bist verantwortlich für Veränderung in einer Leistungsorganisation? Oft auch im Umfeld agiler Mega-Projekte bei der Einführung von IT-Plattformen? Dann habe ich hier drei wichtige Insights, die dir helfen können, wenn der Karren mal fest steckt. Denn die besten Konzepte bringen manchmal nichts, wenn der Untergrund sich ändert – Disruption! Mehr Gas geben hilft da auch nicht. Dann brauchst du einen neuen methodischen belastbaren Untergrund, um die PS wieder auf die Strasse zu bringen. Am besten betrachten wir die Haupt-Hürden, die es zu überwinden gibt.

Hürde 1 – Lack of Employee Involvement

Menschen haben eine latente Furcht vor Veränderungen und lieben Stabilität. Das ist begründet in neuen Aufgaben und Anforderungen, die es zu erfüllen gilt. Das erfordert ein Mehr an Lernen, Engagement und Bewegung. Noch wichtiger ist die Angst davor, zu versagen oder Anforderungen einfach nicht zu erfüllen. Je besser Mitarbeiter/innen verstehen, warum die Änderung stattfindet, desto eher sind sie bereit mit zu gehen und sich einzubringen. Wichtiger noch ist es, Menschen nicht nur zu informieren, sondern sie aktiv und dialogisch zu beteiligen und das gilt auch in Enterprise-Organisationen. Entsprechende Hilfsmittel, strukturierte Verfahren und technologische Lösungen sind anzuwenden. Je mehr Austausch auf persönlicher Ebene im Veränderungsprozess möglich ist, desto eher gelingt das Vorhaben in Summe.

Hürde 2 – Flawed Communication Strategies

Führungskräfte sind im Doppelpack mit Change Managern gut darin, Inhalte ideal über geeignete Kanäle/Medien zur rechten Zeit mit den richtigen Schwerpunkten unters Volk zu bringen. Das ist Standard im Change. Viele Führungskräfte glauben, dass die Veränderung dann funktioniert. Leider komplett falsch! Betroffene müssen erfahren, wie sie die Veränderung persönlich tangiert, was sich konkret täglich ändert und wie Kollegen/innen damit umgehen. Das gelingt nur in Gruppenkonzepten mit Interaktionen und Dialogen. Virtuell oder in realen Räumen, das bestimmt der Kostendruck, aber ohne diese Elemente werden die Ziele nicht erreicht.

Hürde 3 – Inadequate Culture Shift

Leistungsorganisationen sind gut in Aufgaben- und Rollenbeschreibungen, Geschäftsprozessen und auch in sonstigen administrativen Prozessen. Üblicherweise gelingt auch die Qualifikation im Umgang mit geänderten Prozessen oder mit neuen IT-Plattformen und -Lösungen recht gut. Doch wer beispielsweise von der Verkaufsperspektive zur Customer Journey mit Customer Experience-Elementen wechseln soll, hat damit keine Hilfestellung. Die Sichtweisen und Paradigmen ändern sich mit der Einführung von Customer Journey-Ansätzen so sehr, dass auch hier nichts ohne Kulturänderung funktioniert. Diese findet sich leider nicht in den Qualifikationsplänen. Das muss geändert werden. Das kostet Geld und Zeit, aber ohne diesen Invest, der vom Change Management verantwortet wird, können auch die besten IT-Plattformen nicht das gewünschte Ergebnis absichern.

Der neue Change Manager

Heute müssen Change Manager frische Programme und Konzepte einsetzen, die weit über bisher etablierte Methoden hinaus gehen.

Die Disruption hat auch das professionelle Change Management erreicht.

Standard-Instrumente sind in agilen Veränderungsumfeldern nicht ansatzweise ausreichend. Kommunikation war gestern. Heute läuft nichts mehr wirksam ohne One2One-Dialog und Gruppeninteraktion. Wer mit seiner Veränderung in komplexen Leistungsorganisationen Erfolg haben will, muss sich und sein Methodensetting verändern. Hier gibt es weitere konkrete Hilfestellungen dazu.