Serie auf Think Digitally über den Paradigmenwechsel im Vertrieb/ der Marktbearbeitung
„Wir hatten BASIC – nur hatten wir’s nicht.“
So oder so ähnlich beschreibt Bill Gates selbst die Geburtsstunde von Microsoft in seinem aktuellen Beitrag zum 50-jährigen Jubiläum des Unternehmens (gatesnotes.com). Gemeinsam mit Paul Allen behauptete er 1975 gegenüber Ed Roberts von MITS, man hätte eine lauffähige Version von BASIC – obwohl das zu diesem Zeitpunkt schlichtweg nicht stimmte. Heute nennt man das: Pre-Selling. Oder eben: Eine Idee mit voller Überzeugung vertreten, bevor sie zur Wirklichkeit wird.
Was hat das mit Glaubwürdigkeit zu tun?
Interessengebundenheit: Die unsichtbare Triebfeder
Wir alle handeln interessengebunden. Gründer, Vertriebler, Softwareentwickler – niemand ist neutral. Bill Gates hatte ein Interesse: Er wollte den Deal. Und dafür war er bereit, eine Idee zu verkaufen, bevor sie überhaupt in Code gegossen war. Der Clou: Es war nicht nur eine Lüge. Es war auch eine Vision. Eine Vision, die in kürzester Zeit zur Realität wurde.
Die Frage ist nicht, ob jemand ein Interesse verfolgt. Die Frage ist, ob das Interesse transparent gemacht wird.
Glaubwürdigkeit entsteht durch die Offenlegung von Interessen
Vertriebler versprechen Lösungen. Entwickler verkaufen Roadmaps. Berater versprechen Transformation. Und immer steckt ein Interesse dahinter: zu überzeugen, zu gewinnen, zu wachsen. Das ist legitim – solange es offen kommuniziert wird. Wer so tut, als sei er nur am Kundenwohl interessiert, verliert an Glaubwürdigkeit.
Glaubwürdig ist nicht, wer keine Interessen hat – glaubwürdig ist, wer mit seinen Interessen ehrlich umgeht.
Was bedeutet das für moderne Dienstleister und Softwareanbieter?
- Zeig dein Warum. Warum verkaufst du diese Lösung? Was treibt dich an?
- Steh zu deinem „Noch-nicht“. Viele versprechen heute fertige Lösungen, obwohl sie sich noch in der Entwicklung befinden. Das ist okay – solange du sagst: „Wir haben einen klaren Weg dorthin.“
- Baue Vertrauen durch Transparenz. Interessengebundenheit wird dann zum Pluspunkt, wenn sie klar benannt wird.
Bill Gates als Beispiel für Ehrlichkeit in der Retrospektive
Dass Gates heute offen über die anfängliche Lüge spricht, macht ihn nicht unglaubwürdig – im Gegenteil. Es zeigt: Wahrheit braucht oft Zeit, aber Glaubwürdigkeit entsteht dort, wo jemand später Verantwortung übernimmt.
Der Tipp für dich:
Glaubwürdigkeit bedeutet nicht Perfektion. Sie bedeutet nicht, immer schon alles zu haben. Sie bedeutet, Interessen nicht zu verschleiern – sondern sie bewusst zu machen. In einer Welt, in der Lösungen oft verkauft werden, bevor sie existieren, ist offene Interessengebundenheit ein kraftvoller Hebel für Vertrauen.
Einfach gesprochen – Fahr mit offenem Visir.
Nachsatz: Und was ist jetzt mit BASIC?
Zur Einordnung: Bill Gates und Paul Allen haben BASIC nicht erfunden – das waren John G. Kemeny und Thomas E. Kurtz am Dartmouth College. Sie entwickelten BASIC 1964 als einfache Sprache für Studierende und stellten sie frei zur Verfügung. Was Gates und Allen jedoch taten, war bemerkenswert: Sie adaptierten diese Sprache für den brandneuen Mikrocomputer Altair 8800 – ohne sie bereits fertig zu haben, aber mit einem klaren Ziel vor Augen.
Sie entwickelten innerhalb weniger Wochen eine funktionierende Version von BASIC für den Altair – und legten damit den Grundstein für Microsoft. Keine Patentverletzung, kein Diebstahl – sondern Unternehmertum, Timing und der Mut, eine Idee zur Wirklichkeit zu machen, bevor sie überhaupt existierte.
Ich persönlich habe BASIC als fünfzehnjähriger Schüler auf dem Commodore C-64 gelernt und hatte großen Spass in der Anwendung dieser einfachen Programmiersprache auf dem 8-Bit Computer (so entstand beispielsweise in den 1980ern mein Programm ADRESSMAT, die Adressbuchverwaltung).
Wie Steve Jobs auch?
… und: Auch Steve Jobs verkaufte den ersten Apple Computer, obwohl er ihn nicht hatte. Das haben Bill Gates und Steve Jobs, die Wurzeln von Apple und Microsoft gemeinsam.
Quelle des Bildes: GatesNotes.com