Die Customer Journey Lüge

Customer Journey Management wird uns oft als aufregende Reise wilder Kunden beschrieben, die machen, was sie wollen. Alles falsch! Kunden sind Menschen mit Gewohnheiten und Mustern, die immer wieder auftreten. Aus diesem Grund kann deren Verhalten mit den richtigen Instrumenten auch gut vorausgesagt werden. Doch eine Sache ist viel wichtiger als „aufregende Reisen“ – VERTRAUEN!

Wert #1 – Vertrauen

Warum kaufen immer mehr Menschen so gerne bei amazon und das immer häufiger? Warum sind Apple Kunden so loyal, egal, wie teuer der Spass wird? Warum wählen Unternehmen Microsoft als Cloud- und Lösungsplattform? Warum suchen Menschen lieber bei Google Informationen als sonst wo? Warum sind Fahrer bestimmter Automarken quasi dessen Fans?

Alle Antworten haben etwas zu tun mit Erfahrungen, die Kunden gemacht haben. Diese Erfahrungen erzeugen Vertrauen. In der Neukundengewinnung, die by the way sehr teuer ist, muss Vertrauen erst mal aufgebaut werden, doch warum sind Bestandskunden loyal und wann wechseln sie Marken, Produkte oder Services?

Amazon – Handel und Plattformlösungen

Kunden vertrauen amazon, weil sie sich sicher sind, dass ihnen geholfen wird, wenn mal ein Problem mit einem Produkt auftaucht. Defekt nach 15 Monaten? Kein Problem – amazon bucht das Geld zurück und nimmt „ohne wenn und aber“ das Produkt zurück. Keine lästigen Reparaturen. Kein lästiges hin und her. Hier wird geholfen. Punkt!

Microsoft – Software-Plattformen

Kunden wissen, wie Word, PowerPoint und Outlook funktioniert. Immer zuverlässig. Immer produktiv. Ausgereift und bestens integriert in Plattformen wie Dynamics, SharePoint & Co. aus Sicht der Anwender. Die Software macht genau das, was Anwender erwarten und seit Jahren gewohnt sind. Egal, ob das Betriebssystem Schwachstellen hat. In Summe hat sich Microsft vor allem eins erarbeitet – Vertrauen in gute Lösungen.

Apple – Hardware- und Softwareplattformen

Mac’s und iPhones funktionieren einfach, sind gut zu bedienen und die Qualität der Produkte ist hochwertig. Immer das beste Material, das beste Design, die beste Technik. Der Öko-Space funktioniert einwandfrei und alles ist schön miteinander integriert und Microsoft passt auch überall schön drauf. Wozu Experimente? Kunden vertrauen Apple und wissen, dass sie keinen Ramsch erhalten.

Google – Informationsplattform

Wir suchen Informationen bei Google, weil wir wissen, was wir erhalten. Hier wurde Vertrauen aufgebaut. Viele Menschen sind auch bereit, ihre Daten ausnahmslos an Google zu übergeben. Grund Nummer Eins ist auch hier, sicher zu wissen, dass Google die Informationen liefert, die wir suchen. Wer experimentiert da schon mit Duck-Duck oder Bing? Wir vertrauen dem Ergebnis, weil es sich als robust erwiesen hat.

BMW, Audi und Mercedes – Mobilitätsplattformen (na ja, noch sind es Autos)

Wer sich einmal für einen Hersteller entschieden hat, ist sehr häufig loyal, weil er einfach gute Erfahrungen gemacht hat. Man gewöhnt sich an die Bedienung und den Charakter eines Fahrzeuges. Wir vertrauen … bis …

Best Practice CX

Während der Kundenreise ist die gemachte Erfahrung (CX = Customer Experience) das ausschlaggebende Element. Kunden werden loyal, wenn deren Erwartungen getroffen und bestenfalls übertroffen werden. Damit das funktioniert, sind keine aufregenden Customer Journeys von Nöten. Was wirklich zählt ist Konstanz, Verlässlichkeit und die Einlösung von Leistungsversprechen. Und sowas in einer disruptiven Welt? Ja, so einfach kann das sein. Das die ganze Sache digital sein muss, ist eine andere Geschichte, aber im Kern bleibt es so, dass Vertrauen über lange Wegstrecken gewonnen wird und dazu ist Kontinuität und Zuverlässigkeit erforderlich.

Und was ist daran digital?

Alles! Mit modernen Werkzeugen (Predictive Analytics, Artificial Intelligence) kann Kundenverhalten vorausgesagt werden, weil Kunden doch nicht so individuell sind, wie sie alle glauben. Aus diesem Grund ist eine 1:1 Interaktion von Mensch und Maschine (Kunde und Anbieter) möglich, weil Kunden sich gleichen. Die Maschine muss halt nur rausfinden, welchen Typ von Kunden sie vor sich hat, meinetwegen auch welche Persona. Die Maschine kann auch voraussagen, wann der Kunde flöten geht. Das kann man am besten ausrechnen, wenn man sich die Servicedaten anschaut, um die Kundenerfahrung zu verbessern. Natürlich funktioniert das nur bei „ordentlichen“ Produkten.

Digitalisierung und der Butterfly Effect

Der Schmetterlingseffekt ist bestens geeignet, um zu verstehen, was in der Digitalisierung wirklich passiert. Die Essens ist recht einfach – Das ganze Ding ist nicht zu kontrollieren. Wozu also die vielen Anstrengungen, um den Kunden letzten Endes doch wieder in den Griff zu bekommen und sein Kaufverhalten zielgerichtet zu steuern? Schauen wir uns die Sache mit dem Schmetterlingseffekt mal an.

Warum der Schmetterlingseffekt?

Aus der Sicht von Entscheidern in Marketing, Vertrieb und Service ist es enorm wichtig, Pläne aufzustellen, um definierte Ziel erreichen zu können. Also Aufmerksamkeit beim Kunden, die richtige Kaufentscheidung und tolle Serviceerlebnisse. Alles, um Umsätze mit den Kunden zu generieren. Das dumme ist nur, dass Kunden so stark digitalisiert sind, dass sie quasi tun und lassen können, was sie wollen. Kunden informieren sich komplett ohne Werbeeinfluss im Netz, lesen etwas über Erfahrungen anderer Kunden, deren Bewertungen, Erlebnisse, bis hin zu den Serviceerfahrungen und Anbieter haben das Nachsehen. Alles scheint sich irgendwie zu entwickeln und es ist kaum noch möglich, zu planen und zu kontrollieren.

Das scheinbare Chaos macht uns nervös. Wir suchen nach Möglichkeiten der Voraussage und die Propheten der Digitalisierung begeistern uns mit Predigten zu Business Intelligence, Artificial Intelligence, Customer Analytics und sogar Predictive Analytics. Genau das brauchen wir – eine solide Voraussage des zukünftigen Kundenverhaltens, doch der Schmetterlingseffekt lehrt uns, dass das nicht funktioniert. Zumindest nicht so, wie wir uns das denken.

Was ist der Schmetterlingseffekt? 

Edward Lorenz hat das ganze herausgefunden. Bekannt geworden ist er mit der vereinfachten Frage: „Kann ein Schmetterlingsflügelschlag in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?“ Dahinter verbirgt sich seine Forschung in der Meteorologie, der Disziplin, die versucht mit Modellen der Voraussage das Wetter treffsicher zu prognostizieren. Der Schmetterlingseffekt beschreibt im übertragenen Sinne, wie aus einem kleinen Ereignis eine Kettenreaktion werden kann, die in einer Katastrophe mündet. Aktuelle Beispiele sind bekannt. Als Ferrero beispielsweise den Kakaogehalt minimal änderte, führte dies zu Lawinen der Entrüstung in den sozialen Netzwerken, die sich so schnell verbreiteten, dass Ferrero quasi am Pranger stand und und loyale Kunden bitter böse wurden.

Chaotisches Verhalten

So etwas wie mit Ferrero ist nur deshalb möglich, weil die Welt digitalisiert wurde. Eine kleine Veränderung führte unkontrolliert zum Imageschaden. Der Schmetterlingseffekt tritt in Systemen auf, die chaotisches Verhalten zeigen. Und genau hier liegt das Problem, denn Unternehmen, die innovativ sein wollen, müssen quasi täglich bestehende Regeln zumindest neu definieren, wenn nicht sogar brechen. Die Innovation kann als Schuss nach hinten los gehen.

Was hat Lorenz getan, um die Voraussagen besser zu gestalten?

Wenn sich die Dinge chaotisch entwickeln, muss es einen Weg geben, hier zumindest die Qualität der Voraussagen zu verbessern. Es zeigte sich jedoch recht schnell, dass die Qualität einer Voraussage um so besser ist, je mehr Sensoren die realen aktuellen Bedingungen erfasst haben. Und dennoch war es trotzt unbegrenzter Leistungsfähigkeit der Computer nicht möglich, Prognosen für einen längeren Zeitraum abzugeben. Das Wetter für den nächsten Tag kann noch ganz gut vorausgesagt werden und je mehr Messpunkte vorhanden sind, desto besser können chaotische Entwicklungen mit einbezogen werden. Es zeigte sich, dass 1.000 Wetterstationen geeignet waren, um Prognosen für vier Tage zu erstellen, doch eine Voraussage für einen Monat bedürfte 10 hoch 20 Wetterstationen und mathematisch ist es nicht möglich, das Wetter über zwei Wochen solide zu prognostizieren.

Wie ist der Schmetterlingseffekt zu nutzen?

Genau das ist der Grund, warum wir einfach gesprochen auf Basis großer Datenmengen so etwas wie das nächste gute Angebot berechnen können, auch Next Best Offer genannt, was wir kennen, wenn uns bei amazon vorgeschlagen wird: „das dürfte Sie auch interessieren“, damit wir es kaufen. Dagegen ist es kaum möglich zu prognostizieren, wie Kunden sich in den nächsten vier Wochen verhalten werden. Marken liefern in diesem Kontext zwar gute Ergebnisse, aber auch hier kann ein Flügelschlag zum Chaos werden.

und die Moral der Geschichte?

Ist mal wieder recht simpel. Die Digitalisierung lässt Unternehmen keine Wahl in der Entscheidung des OB, sondern nur in der Option des WIE. Wie Kundenerfahrungen entlang der Customer Journey durch geschicktes digitales Marketing gesteuert wird, wie Verkaufschancen gepflegt, ausgebaut und zum Abschluss gebracht werden und wie Serviceerfahrungen gut gestaltet werden. Alles das funktioniert nur mit soliden digitalen Lösungen, einer effizienten CRM-Plattform und Automatisierung zum Erfassen und Steuern des Kundenverhaltens. Eine Unterlassung der Investition in CRM-Technologien und in Customer Journey Management führt zwangsläufig zum Wettbewerbsnachteil. Die Frage lautet nicht „ob“, sondern nur noch „Wie – und wo setzen wir jetzt konkret an?“

B2B Customer Journeys mit Design Thinking im Banking realisieren

Die Headline ist echt ein Klopper. Stimmt total. Das Problem ist, dass es ziemlich viel Erklärung für Einsteiger in die Thematik der digitalen Transformation abverlangt. Also mal langsam und am Beispiel dargestellt. Beginnen wir mit der Problem- und Aufgabenstellung in einem speziellen Fall bei einer Landesbank.

Ausgangslage

Sparkassen vergeben quasi täglich Kleinkredite bis zu 5 Mio. EUR. Um das Risiko besser zu managen, teilen die kreditvergebenden Sparkassen das Risiko mit einer Landesbank. Dieser Metakreditprozess erfordert einen hohen Abstimmungsbedarf zwischen Sparkasse und Landesbank auf Markt- und Marktfolgeseite. Bis der Kredit bewilligt und zugeteilt wird, findet ein umfangreiches Ping-Pong-Spiel zwischen den Instituten statt, um allen regulatorischen Anforderungen zu genügen und identifizierte Risiken abzusichern. Es werden quasi tonnenweise Informationen von A nach B geschaufelt und wieder zurück, geprüft, neu angefordert und so weiter, bis die ganze Nummer durchgezogen wurde. Ein sehr komplexer Prozess. Auf beiden Seiten sitzen Profis und jeder versteht sein Geschäft exzellent.

Die Idee

Die Landesbank hatte gleich mehrere Ideen dazu. Warum diesen komplexen Prozess nicht „einfach“ auf einer Plattform abwickeln? Ohne lästiges analoges hin und her von Informationen und Nachweisdokumenten, wobei Emails auch als analog gesehen wurden. Und wenn schon, denn schon: Warum das ganze nicht einfach aus Kundensicht gestalten, wobei der Kunde der Landesbank die Sparkassen mit ihren Kreditexperten sind. Kurzer Hand sucht sich die Landesbank einen Berater, der ein Design Thinking-Projekt unterstützt. Ziel: Radikale Ausrichtung der Metakreditprozesse an der „Customer Journey“, Erstellung eines Prototypen in Form eines MVP (Minimal Viable Product) und als Nebeneffekt eine schöne Kostenreduktion mit Prozesseffizienzsteigerung realisieren.

Das Projektvorgehen – ganz einfach

Was kompliziert klingt, wird jetzt recht einfach. Wirklich! Als Projektleiter des Beratungsunternehmens – wie gesagt, auf diesem Blog keine Werbung – hat mir die Landesbank die Freiheit eingeräumt, mit dem Team so vorzugehen, wie es Sinn macht. Also haben wir uns als kleiner Inkubator eingeschlossen und erst mal in einem ebenso kleinem Team die Ist-Prozesse angeschaut und frei dokumentiert, also an Brown-Papers und nix mit einem teuren ARIS o.ä. digitalen Tools. Ja genau, in einem Digitalisierungsprojekt. Richtig gelesen. Wie ich sagte, es ist gar nicht so schwer, wenn man es richtig macht. Und es ist auch gar nicht so teuer. Anders formuliert, wenn es zu teuer wird, stimmt etwas nicht.

Aber zur Sache: Nachdem wir also die „Insight-out-Perspektive“ definiert hatten, ging es jetzt um die Kundenperspektive, also die Perspektive und das Erlebnis der Kreditexperten bei den Sparkassen, für die wir eine wunderschöne Customer Journey gestalten wollten. Jetzt also „outsight-in“, von außen nach innen gestaltet. Kurzer Hand haben wir Workshops mit einer repräsentativen Sparkasse durchgeführt. Repräsentativ im Sinne von „liegt im arithmetischen Mittel“. Die dortigen Kreditexperten, samt Vorstandmitglied haben ihre Erlebnisse und Anforderungen auf ihrer Kundenreise mit uns geteilt. Natürlich wurden die Brown-Paper systematisch a la Design Thinking und Customer Journey Mapping-typisch mit Know-how zugekleistert.

MVP – Erstellung der Lösung

Mit den Ergebnissen in der Tasche haben wir uns wieder eingeschlossen und in Experten-Arbeitstreffen mal einfach ein Stück Plattform (IT-Lösung) auf Basis unserer Unterlagen entworfen. Bildschirm für Bildschirm haben wir die Customer Journey mit den Inhalten des komplexen Metakreditprozesses auf dem Scratch entwickelt. Fern ab von uns hat eine Agentur in der anderen Hälfte der Republik mit uns virtuell den Prototypen erschaffen. Täglich haben wir uns im Team die Zwischenstände angesehen und entsprechende Anpassungen angefordert, die wiederum tagesgleich umgesetzt wurden. Design Thinking in Reinkultur, schneller als jedes agile Projekt.

Das Ergebnis

Das Ergebnis haben wir wenige Wochen später der Sparkasse demonstriert. Ganz zu deren Verblüffen. So etwas hatte weder Vorstand, noch Kreditexperten jemals zuvor gesehen. Na ja, vielleicht nach einem Jahr Entwicklungsarbeit, aber genau darum ging es ja. Wettbewerbsvorteile müssen durch Speed und die Fähigkeit von „go to market“ generiert werden. Letzten Endes haben wir das „abgenommene“ Ergebnis intern bei der Landesbank präsentiert und auch Begeisterung beim Vorstand auslösen können. Üblicherweise sind in solchen Projekten erst mal Tonnen an Prozessdokumentation vorhanden. Bei uns – mit nichten! Aber ein Stück Software/eine Plattform, eine Lösung, mit der die hoch innovativen und an der Customer Journey ausgerichteten Prozesse realisiert wurden. Eine andere Sache ist die Integration in die bestehende IT-Architektur, aber ohne den Design Thinking-Ansatz hätte alleine dieser Prozess erst mal locker ein Jahr verschlungen und damit nicht nur Zeit, sondern auch ordentlich viel Geld und was am wichtigsten ist, Verlust an Wettbewerbsvorteil.