Digital Leadership – Was ist eine gute Vision?

Digitalisierung beginnt mit einer Vision. Ähnlich wie Leitplanken an der Autobahn, werden daran alle Aktionen ausgerichtet. Diese Leitplanken liefern stets eine Begrenzung, damit die Fahrt sicher und schnell voran geht. Bei der Erstellung von Visionen werden jedoch häufig Fehler gemacht, die es zu vermeiden gilt. Es stellt sich die Frage, wann eine Vision gut und wirksam und wann ist es eher ein Fall für den Arzt ist. Einige Beispiele:

Eine schlechte Vision

Digitale Visionen sind dann gut und hilfreich, wenn sie so eine Art einfache Story sind, die jeden auf die Reise mitnehmen. Oftmals werden Visionen von schlauen Leuten ersonnen, die ihr gesamtes Raketen-Fachwissen darin abladen. Ergebnis sind inhaltlich richtige, aber in der Wirkung komische Konstrukte, die niemand mehr versteht. Hier ein Beispiel einer richtig schlechten Vision:

„Mit unserer CRM-Initiative wollen wir für unsere Kunden eine Customer Journey auf Basis innovativer Cloud-Lösungen erstellen, die begeistern und Kaufimpulse auslösen. Wir tun dies durch ein 360-Grad-Kundenmanagement in funktionsbereichsübergreifender Kollaboration vom ersten Cutomer Toucpoint bis hin zum Cloosed-Loop-Servicemanagement.“

Schlechter geht es kaum. Kompliziert, unkonkret, langatmig und überhaupt ziemlich viel Bullshit-Bingo. Doch wie genau entwirft man eine richtig gute, tragfähige und wirksame Vision? Ein Leitstern, dem alle folgen wollen. Hier zwei Beispiele:

Eine gute Vision

„1.000 Songs in your Pocket.“

Warum ist diese Vision von Steve Jobs richtig gut? Eigentlich ist es ja seine Produktvorstellung vom ersten iPod gewesen, aber es ist auch eine Vision. Wir können auch gerne ein zweites Beispiel nehmen. Es stammt von John F. Kennedy:

„We put a man on the moon and return him safely by the end of the decade.“

Anleitung zum entwerfen einer guten Vision

Manche Dinge sind viel einfacher, als wir manchmal annehmen. Eine gute Vision kann gemessen werden, wie so vieles, was Substanz enthält. Die Metrik enthält sechs Items, anhand derer eine gute Vision erkannt werden kann. Vergleichen Sie einfach mal die schlechte Vision oben mit den beiden Best Practices von Kennedy und Steve Jobs.

  1. SIMPLE – Eine gute Vision ist einfach. Verständlich.
  2. UNEXPECTED – Es werden „Woooahhh“-Emotionen erzeugt
  3. CONRETE – Die Idee ist sehr spezifisch und messbar
  4. CREDIBLE – Glaubwürdigkeit ist der Nährboden
  5. EMOTIONAL – Gefühle werden adressiert und gefördert
  6. STORY – Eine möglichst kleine Geschichte

Die Anfangsbuchstaben ergeben SUCCES. Recht einfach, nicht wahr? Wenn Sie eine Vision für eine Initiative innerhalb der Digitalisierung entwerfen möchten und dafür teure Berater engagieren, prüfen Sie Entwicklung und Ergebnis anhand der einfachen SUCCES-Metrik. Wenn Sie es genauer wissen wollen, lesen Sie das Buch Made to Stick.

Change Management 3

Wann sind Menschen bereit, eine neue Rolle einzunehmen. Beispielsweise als Anwender einer Plattforminnovation, als Mitgestalter einer digitalen Innovation im Unternehmen? Wann verankern sich neue Rollen im Unternehmen und wie entwickeln sich Denkhaltungen und Aktivitäten im Unternehmen, wenn wir auf dem Pfad disruptiver Entwicklungen wandeln?

Antworten liefert die Rollentheorie

… und die Theorie der Rollenbilanz. Beides von Günter Wiswede, mein akademischer Vater an der Universität Köln, jetzt emeritiert. In Teil 1 habe ich mit dem „Am Anfang des Change Prozesses steht ein Schock“-Mumpitz aufgeräumt. Jetzt beginnen wir als Architekten die Substanz mit einem soliden Fundament aufzubauen. Wer Neues wagen will, braucht Fundamente, die tragfähig sind. Marktschreier und Disruptionsprediger, ominöse Trainer können in solchen Kontexten brandgefährlich werden. Vertrauen Sie lieber auf empirisch abgesichertes Material. Bleiben Sie skeptisch. Hinterfragen Sie. Fühlen Sie den Botschaften auf den Zahn!

Fundament 1 – Rollentheorie

Einfach beschrieben konzentriert sich die Rollentheorie darauf, wann Menschen eine Rolle annehmen, wann sie diese behalten, wann sie lieber wieder ausscheiden und auch wie sie dies tun. Eine Rolle ist dabei nur ein Bündel an Verhaltenserwartungen. Denken wir an die Rolle: „Mutter“, „Führungskraft“, „Verkäufer“ und so weiter. Jede dieser Rollen gibt Orientierung und sichert Verhaltensregelmäßigkeiten, auf die wirklich verlass ist.

USER als Rolle

Mit Think-Digitally richten wir den Fokus auf „USER“. Auch das ist eine Rolle. Wenn eine neue Plattform eingeführt oder eine alte ersetzt wird. Der Change besteht meistens darin, Menschen zu Anwendern von Systemen und Plattformen zu machen. Wie können wir Menschen dazu bewegen? Mit Change Kommunikation und Training? Ob das ausreicht? Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen, schauen wir uns jetzt mal die Metrik dahinter an und können dann auf dieser Basis erste Einschätzungen vornehmen, welche Maßnahmenbündel Wirkung zeigen und welche nicht.

Die Einflußgrößen zur Übernahme einer Rolle

Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen eine Rolle einnehmen, hängt von drei Faktoren ab. Erstens von Erträgen und Kosten (was muss ich wohl investieren und was bekomme ich am Ende heraus?), zweitens vom normativen Druck (der Chef will das so haben und misst meine Ziele daran) und drittens von den eigenen Fähigkeiten (kann ich das … jetzt? … in Zukunft?).

Zusammenhänge zwischen den Einflußgrößen

Erträge/Kosten und normativer Druck werden im Modell addiert und das Ergebnis wird mit den persönlichen Fähigkeiten multipliziert. Ein konretes Beispiel: „Ich soll als Anwender von Microsoft Dynamics 365 meine Vertriebsaufgaben erledigen, damit wir alle mehr verkaufen. Irgendwie soll uns das alles besser machen“, denkt sich der Betroffene in einem Change Prozess. Was jetzt passiert, kann in drei Phasen untergliedert werden. Zuerst muss die Rolle „User“ übernommen werden (Take over). In der zweiten Phase wird die Rolle ausgeübt und drittens finden Reaktionen statt, die dazu führen, dass ich diese Rolle behalte oder ich suche mir Alternativen (gedanklich oder verhaltensaktiv).

Ein Beispiel

Die Sache mit der additiven und multiplikativen Verknüpfung ist recht einfach am Beispiel dargelegt. „Yeah, ich muss weniger Oppties identifizieren, weil das quasi ein Ergebnis aus unserer Lead-Maschinerie ist. Weniger zu tun und mehr verkaufen – klasse!“, denkt sich die Kandidatin. Doch ein zweiter Gedanke kommt auf: „Da muss ich bestimmt erst mal 100 Stunden an Training, Übung, und wer weiss was investieren. Das will ich eigentlich nicht“. Die Rechnung sieht jetzt so aus: Kosten und Erträge sehen gut aus und was der Chef will, muss ich eh machen. Das ganze multipliziert sich jetzt mit einem Wert, der eher bei der Null, als bei der Eins angesiedelt ist. Ergebnis: Nicht so gut. In so einer Konstellation ist der zukünftige User nicht sehr geneigt, diese Rolle zu übernehmen.

Instrumente im Change

Jetzt kommt das Change Management zum Einsatz. Kosten, Erträge, normativer Druck muss gemessen oder abgeschätzt werden. Instrumente zur Aussteuerung kommen zum Einsatz und die Befähigung steht im Fokus des Instrumentalbaukastens. Neumodisch: Empowering. Eigentlich scheint hier noch nicht viel Innovation im Change zu stecken, doch wer genau hinschaut, wird feststellen, dass der Bewertungskontext mit der Rollentheorie mehr Substanz erhält. Maßnahmen werden zu Komponenten, die auf Zielgrößen einzahlen, die mehr ausmachen, als die Summe der Einzelteile. Hier geht es eher darum, dass Menschen ein Teil einer Angelegenheit werden, die größer ist, als sie selbst.

Meine Skizze oben fasst das alles recht einfach zusammen. Als nächstes betrachten wir die Steuerungsgrößen hinter den drei Einflußgrößen zur Übernahme einer Rolle und die Theorie der Rollenbilanz. Klicken Sie mal auf’s Bild, dann wird es besser.

Change Management 2

Digitalisierung ist ohne Change Management nicht möglich. Logisch! Doch wie man es richtig macht, wissen nur die wenigsten. Worauf ist beim Start einer Change Initiative zu achten? Hier die drei größten Fallen und wie sie diese vermeiden können.

Falle 1 – Vollmundige Versprechen

Eine Initiative wird oftmals mit einer großartigen Vision angekündigt. Damit Wolkenkuckucksheim nicht ganz abstrakt bleibt, werden schöne Stories aus der Zukunft erzählt, die den Business-Alltag aufzeigen sollen. Natürlich ist in der schönen neuen Welt alles super, sehr komfortabel, viel schneller und überhaupt für jeden besser. Kann man so machen, aber wer am Anfang viel verspricht, tolle Visionen aufzeigt und großartige Szenarien an die Wand malt, der muss sich nicht wundern, wenn in der Umsetzung Frust und Enttäuschung zu den Früchten der Arbeit gehören.

Wie kann man es besser machen? Eine Vision ist nicht schlecht, aber je schnelle die Vision mit klarem Fokus geerdet wird, desto besser die Glaubwürdigkeit. Suchen Sie drei Kern-Nutzen heraus und stellen Sie diese in den Vordergrund. Prüfen Sie mit Integratoren von digitalen Plattformen und Beratern, ob diese auch wirklich schnell umsetzbar sind. Checken Sie auch, ob es gute Demo-Cases dazu gibt. Am besten Referenzen. Nichts ist besser, als ein überzeugter Kunde, der selber berichtet … und zwar nicht immer nur positiv. Die Welt ist schwierig. Warum also immer nur alles schön malen? Das glaubt eh keiner mehr! Authentizität ist besser als Hochglanz-Werbung.

Falle 2 – Top-down-Planung

„Wir da oben wissen wirklich alles – und auch besser“, würde niemals jemand behaupten, aber oftmals ist es genau das, was ich beobachte. Folglich wird auch von oben herab geplant. Visionen werden auf TOP-Ebene zusammen geschnitzt und Plattformen werden nicht selten von Management oder IT evaluiert. Schade eigentlich, denn diejenigen, die nachher das ganze Zeug einsetzen sollen, bleiben mit ihren Potenzialen aussen vor.

Wieso also nicht einfach das Angenehme mit dem Nützlichen Verbinden? Nur weil eine Top-down-Planung etwas veraltet ist und nicht mehr so recht zum Zeitgeist passt, muss man das Kind doch nicht mit dem Bade ausschütten. Ein alleiniger Buttom-up-Ansatz würde genau so scheitern. Was aber gut funktioniert, ist die Kombination aus beiden Prinzipien durch geeignete Innovattion-Initiativen als Startpunkt. Bei der Auswahl einer digitalen Plattform kann das praktisch bedeuten, dass die Anforderungen aus den Funktionsbereichen in entsprechenden Arbeitstreffen aufgenommen und gegen Leistungsfähigkeiten von Anbietern von digitalen Lösungen abgeglichen werden. Natürlich nicht unstrukturiert.

Ein Gesamtkatalog könnte untergliedert werden in funktionale und nichtfunktionale Anforderungen, strategischer Fit-Gap-Analyse, Integrationsaspekte und Wirtschaftlichkeitsberechnung. Ja ja, so handfeste Sachen gehören zum Change Management dazu. Schon richtig gelesen.

Falle 3 – Falsche Denkhaltung

In der IT ist das Thema mit der Wasserfallplanung durch. Kein Profi würde auch nur ansatzweise auf solche Modelle referenzieren oder planen. Alles ist schön agil, flexibel und wird regelmäßig angepasst. Doch im Change Management laufen immer noch „Profis“ herum, die vorne weg alles planen und dann den Plan abarbeiten … wollen. Oftmals wird sogar ein veraltetes Basismodell zugrunde gelegt.

Diese Denkhaltung passt nicht mehr in ein Umfeld von Geschwindigkeit, Vernetzung und Unschärfe. Hier sind in der Entwicklung Methoden wie Design Thinking, Minimal Viable Products und agile angepasste Planung erforderlich. Alle diese Ansätze haben eins gemeinsam: „Trail & Error“ und sie kommen aus der Mitte der Leistungsorganisation. Adaptiv, selbstverständlich. Ein Graus für Menschen, die noch immer im Newtonschen Kartesianischen quadratischen Denkmustern leben. Alles schön geplant und dann umgesetzt. Das war früher tatsächlich mal so. Ich habe das selber noch erlebt.

Klar ist ein Masterplan nicht schlecht, aber nur dann, wenn wiederkehrende Komponenten eingebaut sind, die Kontinuität über eine disruptive Entwicklung absichert. Wie das Fokusgruppenkonzept beispielsweise. Das ist nicht ganz einfach zu installieren, aber wenn es erst mal steht, liefert es eine Verankerung von Ergebnissen, die ihresgleichen suchen.