Think digitally – Eine neue Art des Denkens

Agilität ist als Methode bekannt. Digitalisierung als Trend. Woran es jedoch noch fehlt, ist digitales Denken. Kurz: „Think digitally!“

Prof. Dr. Klaus Stüdemann, einer meiner akademischen Lehrer, war ein ganzes Semester lang bemüht – ach was, eigentlich über das gesamte Hauptstudium – uns Studenten das Denken in Gegensätzen beizubringen, um zu einer vollständigen Sichtweise zu gelangen. Kurz gefasst: „Eine Medaille hat immer zwei Seiten.“

Mangelhafte Denkhaltungen – Fehlerhafte Denkhaltungen

Mit dem digitalen Denken verhält es sich ähnlich. Alle sprechen über Digitalisierung, aber bei genauer Betrachtung fällt auf, dass alte und neue Denkhaltungen in einer gefährlichen Mixtur zu einem fragwürdigen Cocktail verrührt werden. Ein typisches Beispiel sind die bipolar aufgestellten methodischen Ansätze von Wasserfall- und agilen Projekten. Mittlerweile haben auch die letzten Kämpfer der Dinosaurier-IT verstanden, dass eine fixierte Planung über viele Perioden zu katastrophalen Fehlinvestitionen führt. Und das nicht nur manchmal, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.

Also haben sich die mondänen Typen mit ihren pfiffigen agilen Methoden ihren Platz erstritten. Alle lieben diese kleinteilige Übersichtlichkeit. Doch in größeren Konstellationen kommt es auch mit agilen Methoden zu Crash-Ergebnissen. So manches Unternehmen steht vor seinen Crash-Test-Ergebnissen und stellt sich die Frage, was schief gelaufen ist. Jetzt kommt es ganz schlimm, denn mangels robusten Methoden wird jetzt halb-agil gearbeitet. Auf den ersten Blick scheint das auch logisch. Wasserfälle haben nachgewiesen versagt und agile Methoden konnten die gewünschten Ergebnisse auch nicht absichern. Was also nun?

Die Zukunft gehört dem agilen Ansatz

„Halb-agil“ wird immer dann eingesetzt, wenn das zuständige Management nicht mit entsprechender Konsequenz vorgeht, vorgehen kann oder vorgehen will. Die kleinteilige Herangehensweise ist genau richtig und führt zum Ziel. Es gibt einen riesigen Sack voller möglicher Ursachen für Fehlentwicklungen, aber es gibt auch einen gemeinsamen Nenner. Dieser lautet mangelhafte Entscheidungsfähigkeit.

Entscheidungsfähigkeit – Grundsatz digitalen Denkens

Einfach gesprochen: „Jede Entscheidung führt in letzter Konsequenz zu EINS oder NULL“. Ein Bit kann nicht 0,5 sein. Entweder fließt Strom oder es fließt kein Strom. An oder aus. In der echten digitalen Welt gibt es keine halben Ströme. Abgesehen von Kriechstrom und wozu der führt, ist allen bewusst. Ein ordentlicher Schaltplan lässt Strom fließen oder eben nicht. Punkt!

Was viele Führungskräfte nicht können (sorry für diese etwas undiplomatische Formulierung, aber sie entspricht schlicht weg den Tatsachen), ist es, Entscheidungen so vorbereiten zu lassen, dass am Ende Ja oder Nein gesagt werden kann. So lange eine Diskussion auf dem Niveau: „Es kommt ganz darauf an …“ geführt wird, wurden die „Wenn-Bedingungen“ noch nicht ausreichend genug analysiert, um eine Dann-Aussage treffen zu können. Außerdem kommt jeder gescheite Denker gut an, wenn er beginnt mit: „Es kommt ganz darauf an …“

In unserer Welt des europäisch geprägten Denkens oder besser im rationalen Ansatz der Newtonschen Kartesianischen Denkmuster ist es schwer, Lösungen zu finden, weil diese immer rational begründet werden müssen. Aus genau diesem Grund können Start-up’s aus dem Bauch heraus die Welt verändern, während etablierte Unternehmen sich kaum noch bewegen können, weil jede Änderung vollständig und rational bearbeitet werden muss. Dort herrschen zu viele Wenn-Bedingungen und zu jeder Wenn-Bedingung steht ein Verfechter in den eigenen Reihen. So kommt es, dass sich etablierte Unternehmen sehr gerne in großen Schlachten in den eigenen Reihen verzetteln, statt den Blick nach außen zu richten.

Langer Rede, kurzer Sinn: Digitales Denken zeichnet sich aus durch EINS oder NULL, durch die Fähigkeit, Entscheidungen treffen zu können. Schnell!

Abschließend: Wenn an einer Stelle Strom fließt, hat das zur Konsequenz, dass an der anderen Stelle kein Strom fließt. Das heißt übrigens nicht, dass ein Bauplan weniger komplex sein kann. Er ist nur eindeutig angelegt. Jeder Schaltkreis, der dieses Prinzip verletzt, verursacht Störungen.

Konstruktiv-Destruktiv

„Die Axen sind heute nicht mehr liberal oder konservativ, die Axen sind Konstruktiv-Destruktiv“, so Steve Jobs in einem Interview aus dem Jahre 2010. Das kann nicht nur in der Politik, sondern auch in digitalen Projekten beobachtet werden.

Konservative Haltungen im Management

Die Haltung in alten Kategorien wie konservativ oder liberal sind in der aktuellen Welt scheinbar irrelevant. Am Ende kommt es nur darauf an, ob ein Vorhaben konstruktiv in die Zukunft gerichtet ist und radikal mit alten „Zöpfen“ bricht oder aber ob es an alten Systemen, Plattformen und Prozessen festhält.

Konservative Haltungen im Management sind nicht mehr geeignet, um eine Welt von Morgen zu gestalten. Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Leistungsbereitschaft sind Attribute, die in konstruktiven Umfeldern beheimatet sind. Innovation und der damit einhergehende  Regelbruch muss am Ende des Tages genau so Verlässlich in der operativen Umsetzung wirksam sein, wie ein glaubwürdiges Management. Das hat aber nichts mit Konservatismus zu tun. Und erst Recht nicht mit dem Anspruch darauf, dass diese Attribute konservativ seien. Sie sind es nicht. Sie sind in der Kategorie „konstruktiv“ beheimatet.

Destruktion oder Konstruktion

In der Politik ist konstruktives Verhalten recht einfach erkennbar. Es ist auf Prinzipien wie Koopertion, Hilfsbereitschaft und Offenheit begründet. Mauern, Zölle, Aggression und Egomanie gehören zum Bereich der Destruktion uns sind wissenschaftlich nachgewiesen schädlich für prosperierende Gesellschaften. Genau so verhält es sich auch eins zu eins in Digitalisierungsinitiativen.

Wer Zukunft gestalten will, muss sich verabschieden vom Protektionismus der alten IT-Landschaften, von veralteten Wasserfall_Methoden und auch von alt hergebrachten starren Projektorganisationen. In Summe ist auch dem letzten klar geworden, das wir mitten in einer gewaltigen Veränderung stehen und wer an dieser Stelle immer noch der Ansicht ist, das alles gehe auch ohne ein holistisches Change- und Transformation-Management, der kann sich schon heute auf das Scheitern von Morgen einstellen.

Transformation ist keine Option mehr

Immer wieder erlebe ich es, dass Change- und Transformation-Management entweder als ein optional gefordertes Paket sein Dasein fristet oder aber es wird so weit zu einer Grütze zusammen gedampft, dass nur noch eine technisch ausgerichtete Trainingsmaßnahme als Sud im angebrannten Topf übrig bleibt. Am Ende wird dann auch bei modernsten Plattformen im Management diskutiert, wieso der Business Case zur neuen Plattform oder Lösung einfach nicht zum fliegen kommt und was falsch gelaufen ist. Transformation ist keine Option mehr. Wer Projekte ohne diese Kernkomponente aufsetzt, initiiert Fehlinvestitionen.

… was auch mal gesagt werden musste!

 

 

Die Wurzeln von Design Thinking bei Apple

Das wussten Sie nicht, richtig? Alle denken, dass Design Thinking von IDEO kommt, aus den frühen Neunzigern, von Larry Leifer und Terry Winograd. Stimmt schon, aber die Wurzeln reichen zurück in die frühen Achtziger. Es Begann 1981 mit der Entwicklung des Apple Macintosh. Die dort praktizierten Prinzipien gelten bis heute und sind erfolgreich, wenn sie als Methode adaptiert und darüber hinaus dem DNA-Kern nach gelebt werden.

Das Apple Macintosh Team als erster Design Thinking Inkubator

Es ist richtig, dass IDEO als erster die Methode verkauft hat (seit 1991), aber bereits zehn Jahre vorher hat Steve Jobs mit seinem Team die Design Thinking Prinzipien gelebt und die Basis für die weltweit erfolgreichste Firma geschaffen – Apple. Nur mal zum Vergleich: Umsatz mehr als 250 Prozent von Microsoft in 2017 und mehr als 200 Prozent Profit im Vergleich zu Microsoft im selben Jahr und das als Nischenanbieter. Bevor ich darauf eingehe, einige Worte von Andy Herzfeld, einem der führenden Softwareentwickler in Steve Jobs Macintosh Team und einem der herausragendsten Software-Entwickler der frühen Stunde.

Design Thinking Wurzeln liegen bei Apple

„The original Macintosh was designed by a small team that worked long hours with a passionate, almost messianic fervor, inculcated by our leader, Steve Jobs, and the excitement that we felt during its creation shines through in the finished product. (…)

We were excited because we thought we had a chance to do something extraordinary. Most technology development is incremental, but every once in a while there’s an opportunity to make a quantum leap to a whole new level. (…)

Most commercial projects are driven by commercial values, where the goal is to maximize profits by outperforming your competition. In contrast, the Macintosh was driven more by artistic values, oblivious to competition, where the goal was to be transcendently brilliant and insanely great. (…)

Steve encouraged the Mac designers to think of ourselves as artists. In the spring of 1982, he took the entire Mac team on a field trip to a Louis Comfort Tiffany exhibition in San Francisco, because Tiffany was an artist who was able to mass produce his work, as we aspired to do. (…)

Other groups at Apple had an elaborate formal product development process, mandating lengthy product requirement documents and engineering specifications before implementation commenced. In contrast, the Mac team favored a more creative, flexible, incremental approach of successively refining prototypes. (…)

Mentalität – Spirit – Regelbruch – Nonkonformität

Ich glaube, das reicht erst mal. Es liegt auf der Hand, wer als erstes Team Design Thinking praktizierte. Apple verrät allerdings bis heute nicht, wie sie ihre genialen Produkte und Services designen. Man muss schon solche Quellen bemühen und tief in die Recherche einsteigen. Andere haben die Methode verkauft und das ist auch gut so, aber wer wirklich verstehen will, was Design Thinking ist, legt sein Lehrbuch beiseite und fängt an bei Apple bis zu den echten Wurzeln zu forschen. Den gesamten Beitrag von Herzfeld gibt es hier als PDF: The Macintosh Spirit

Es gibt einige Bücher aus der frühen Zeit von Apple, die tatsächlich nicht mehr verfügbar sind. Ich werde in Zukunft immer wieder daraus berichten und Möglichkeiten aufzeigen, wie dieser Spirit heute in Design Thinking-Projekten umgesetzt werden kann. Es gibt viele Best Practices zu Design Thinking, doch Apple überstrahlt sie alle, gemessen am Erfolg der Methode.

Schwachstelle im Design Thinking

Alle reden davon, wie toll und produktiv Design Thinking ist, doch Achtung! Diese Methode hat auch einige gravierende Schwachstellen. Am „Apple Best Practice“ können wir diese identifizieren. Morgen mehr dazu.